1. Im ersten Teil der Entscheidung nimmt der BGH zu der umstrittenen Frage Stellung, ob eine Partei, die sich nach angebrachtem Ablehnungsgesuch an einer weiteren Verhandlung beteiligt, das Ablehnungsrecht verliert. Da der Richter nach der Anbringung des Gesuchs nicht mehr einem Tätigkeitsverbot unterliegt, sondern weiterverhandeln darf (§ 47 Abs. 2 ZPO), kann er weiterverhandeln. Die durch das Justizmodernisierungsgesetz eingefügte Bestimmung will Verzögerungen der Erledigungen entgegenwirken (vgl. Begr. RgE, BT-Drucks 15/1508, S. 16). Würde man davon ausgehen, dass sich die Partei nach Anbringung des Ablehnungsgesuchs nicht mehr an der Verhandlung beteiligen dürfe und ansonsten das Ablehnungsrecht verliere, würde dies zu einem möglicherweise nicht behebbaren Nachteil für die Partei führen. Würde das Ablehnungsgesuch – was häufiger der Fall ist – abgelehnt werden, könnte der nach der Anbringung des Gesuchs liegende Verfahrensteil verwendet werden, der ohne Belegung der Partei war und damit tendenziell für die Partei nachteilig sein kann. Die Entscheidung des BGH führt damit positiv formuliert zu der Aussage, dass die Partei im eigenen Interesse gehalten ist, nach Anbringung des Ablehnungsgesuchs und bei fortgesetzter Verhandlung sich an dieser zu beteiligen. Nur dann, wenn das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt wird, wäre der nach dem Ablehnungsgesuch fortgesetzte Teil zu wiederholen (§ 47 Abs. 2 S. 2 ZPO).
Damit erfasst § 43 ZPO, der auch für die Ablehnung eines Sachverständigen gilt (BGH MDR 2016, 789), nur die Fälle, in denen – ohne Anbringung eines Ablehnungsgesuchs – in Kenntnis eines Ablehnungsgrundes weiter verhandelt wird. Verhandlung ist dabei jedes prozessuale Handeln der Partei unter Mitwirkung des Richters oder vor ihm (vgl. OLG Bamberg FamRZ 1995, 100). Vorbereitungshandlungen, wie etwa das Einreichen eines die mündliche Verhandlung vorbereitenden Schriftsatzes, genügen nicht für die Annahme eines Verhandelns i.S.d. § 43 ZPO (vgl. BGH NJW-RR 2014, 382).
2. Von noch größerer Bedeutung sind die Ausführungen des BGH zu der Frage, wann ein gerichtlicher Hinweis an die Parteien zu der Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung die Besorgnis der Befangenheit des Nicht-Adressaten des Hinweises, der anderen Partei, begründet. Als "Dauerbrenner" des Prozessrechts (Gehrlein, MDR 2004, 542) begründet die Hinweispflicht für den Richter die Aufgabe seiner Neutralität, da er durch aktives Tun die Chancen des Adressaten seines Hinweises verbessert, den Rechtsstreit zu gewinnen (vgl. Obernheim, Erfolgreiche Taktik im Zivilprozess, 5. Aufl., Rn 1409). Die Verpflichtung zur Erteilung von Hinweisen zu den Erfolgschancen im Rechtsstreit findet ihre Grenze in der Verpflichtung zur Unparteilichkeit (vgl. BVerfG NJW 1976, 1391), wobei Einigkeit darüber besteht, dass das Gericht nur Hinweise auf Umstände, die bereits in dem Vorbringen angelegt sind, geben darf, nicht aber weitere Klagegründe oder Einreden einführen darf (vgl. BGH NJW 2004, 164). Dass bei gleichwertigem Parteivorbringen, bei dem sowohl das Vorbringen des Kl. wie des Bekl. – wenn auch auf anderem rechtlichen Weg – das Klagebegehren begründet, ein Hinweis des Gerichts an den Kl., sich das Vorbringen des Bekl. zu eigen zu machen, angezeigt ist, ist offensichtlich. Ob ein ausdrückliches Sich-zu-eigen-machen erforderlich ist (so BGHZ 19, 387; BGH NJW 1989, 2766; vgl. aber Musielak, ZZP 103, 221) oder ob ein Sich-zu-eigen-machen grds. anzunehmen ist (vgl. Rn 22 BGH DRiZ 1968, 422, 423), führt zu dem Ratschlag für den Anwalt in dieser Situation, sich das gleichwertige Vorbringen des Bekl. ausdrücklich zu eigen zu machen (vgl. Egon Schneider, Die Klage im Zivilprozess, Rn 559, 948). Eine einseitige Parteinahme des Richters konnte der Bekl. nicht in der hilfsweisen Zugrundelegung seines für die Klage ebenfalls schlüssigen Vorbringens sehen. Mit seinem Vortrag hatte er, von Gericht und Gegner beim Wort genommen, ein Eigentor geschossen.
RiOLG a.D. Heinz Diehl
zfs 11/2016, S. 628 - 631