Kaufrecht
Zurückbehaltungsrecht bei Lieferung eines Neuwagens mit geringfügigen Lackschäden (BGH, Urt. v. 26.10.2016 – VIII ZR 211/15)
Mit Urt. v. 26.10.2016 hat der BGH entschieden, dass der Käufer eines Neuwagens mit geringfügigen Lackschäden vom Verkäufer Nachbesserung verlangen kann und bis dahin die Zahlung des gesamten Kaufpreises nach § 320 Abs. 1 S. 1 BGB und die Abnahme des Fahrzeugs nach § 273 Abs. 1 BGB verweigern darf. Der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts können zwar mit Rücksicht auf Treu und Glauben bei besonderen Umständen des Einzelfalls Schranken gesetzt sein. Solche hat der BGH im Streitfall jedoch nicht gesehen, da der Verkäufer nicht bereit war, den Schaden zu beseitigen, sondern nur anbot, die Reparaturkosten bis zu einer Obergrenze von 300 EUR zu übernehmen.
Quelle: PM des BGH Nr. 189/2016 v. 26.10.2016
Abwarten bei sporadisch auftretendem sicherheitsrelevanten Mangel für Käufer unzumutbar (BGH, Urt. v. 26.10.2016 – VIII ZR 240/15)
Mit Urt. v. 26.10.2016 hat der BGH ferner entschieden, dass der Käufer auch ohne Fristsetzung zur Nachbesserung wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten kann, weil ihm trotz eines nur sporadischen Auftretens des Mangels aufgrund dessen Relevanz für die Verkehrssicherheit des Kraftfahrzeugs nicht i.S.v. § 440 S. 1 BGB zumutbar sei, ein weiteres Auftreten der Mangelsymptome abzuwarten. Im entschiedenen Fall war das Kupplungspedal des gebrauchten Fahrzeugs nach Betätigung am Fahrzeugboden hängengeblieben. Der Händler konnte bei einer Testfahrt den Mangel nicht feststellen und verwies den Käufer darauf, bei erneutem Hängenbleiben der Kupplung erneut vorstellig zu werden. Eine verantwortungsvolle Benutzbarkeit des Fahrzeugs sei – so der BGH – ohne Abklärung des Mangels weitgehend aufgehoben, da der verkehrsunsichere Zustand fortbestanden habe und es dem Käufer nicht zumutbar sei, das Risiko der Benutzung im öffentlichen Straßenverkehr auf sich zu nehmen.
Quelle: PM des BGH Nr. 190/2016 v. 26.10.2016
Elektronischer Rechtsverkehr
Rechtsanwaltsverzeichnis- und -postfachverordnung (RAVPV)
Am 28.9.2016 ist die Verordnung über die Rechtsanwaltsverzeichnisse und die besonderen elektronischen Anwaltspostfächer (Rechtsanwaltsverzeichnis- und -postfachverordnung – RAVPV) v. 23.9.2016 in Kraft getreten (BGBl I S. 2167). Nach § 21 Abs. 1 S. 2 RAVPV hat die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) für jeden Rechtsanwalt ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) empfangsbereit einzurichten. Allerdings muss der Postfachinhaber nach § 31 RAVPV bis zum 31.12.2017 Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen über das beA nur dann zur Kenntnis nehmen und gegen sich gelten lassen, wenn er zuvor seine Bereitschaft zu deren Empfang über das beA erklärt hat. Die Erklärung kann nicht beschränkt werden. Die Erstanmeldung am Postfach und der Versand nicht berufsbezogener Mitteilungen gelten nicht als Erklärung der Empfangsbereitschaft. Aufgrund der neuen Rechtslage möchte nun die BRAK die Aufhebung der einstweiligen Verfügungen beantragen, die zwei Anwälte vor dem AGH Berlin gegen die Einführung des beA erwirkt hatten. Sie argumentieren, dass die BRAK die für sie eingerichteten beA nicht ohne ihre Zustimmung freischalten dürfe. Da die Freischaltung einzelner Postfächer technisch nicht möglich ist, konnte das beA – das die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs zwischen Gerichten und Anwaltschaft vorbereiten soll – bislang nicht in Betrieb gehen.
Quelle: Hanseatische Rechtsanwaltskammer Hamburg (www.rechtsanwaltskammerhamburg.de)
Verfahrensrecht
Gesetz zur Änderung des Sachverständigenrechts und zur Änderung verschiedener Verfahrensordnungen
Am 15.10.2016 ist das Gesetz zur Änderung des Sachverständigenrechts und zur weiteren Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes, der Verwaltungsgerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung und des Gerichtskostengesetzes v. 11.10.2016 in Kraft getreten (BGBl I S. 2222). Dieses soll die Unabhängigkeit und Neutralität gerichtlich bestellter Sachverständiger durch größere Transparenz im Auswahlverfahren erhöhen und die Auswahl qualifizierter Sachverständiger befördern. Vor dessen Ernennung können die Parteien zur Person des Sachverständigen angehört werden. Ferner sollen Sachverständigengutachten möglichst zügig erstattet werden. Im Kindschaftsrecht werden Qualitätsanforderungen für Gutachten gesetzlich vorgegeben. Der Ordnungsgeldrahmen, um Sachverständige zu einer fristgerechten Erstattung des Gutachtens anzuhalten, wird auf 3.000 EUR erhöht.
Quelle: Erläuterung zu TOP 14 der 948. Sitzung des Bundesrates am 23.9.2016 (www.bundesrat.de)
Autor: Karsten Funke
Karsten Funke, Richter am Landgericht München I
zfs 11/2016, S. 602