" … II. Dem Kl. steht ein Schadensersatzanspruch gem. § 823 Abs. 1 BGB zu. Der Bekl. hat dem Kl. Körperverletzungen zugefügt. Das Verhalten des Bekl. war für die Körperverletzungen ursächlich. Der Bekl. ist, als er dem Polizeibeamten weglief, mit dem Kl. zusammengestoßen. Dadurch verlor der Kl. den Halt und beide stürzten. Die Ursächlichkeit entfällt nicht dadurch, dass der Kl. sich in die Laufrichtung des Bekl. bewegte, um diesen aufzuhalten. Dies beruhte zwar auf einem Willensentschluss des Kl. Das eigene willentliche Verhalten des Geschädigten, das eine Ursache für den Eintritt des Schadens gesetzt hat, ist indes grds. nur unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens (§ 254 Abs. 1 BGB) zu berücksichtigen (vgl. OLG Jena NZV 1999, 331, 332; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 1188; MüKo-BGB/Oetker, 7. Aufl., § 249 Rn 169; Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearb. 2017, § 254 Rn 58). So liegt es beispielsweise bei der Fallgruppe des Handelns auf eigene Gefahr, bei der sich der Geschädigte bewusst einer erkennbar gefährlichen Situation aussetzt (dazu BGH NJW-RR 1995, 857, 858; LM § 823 (Aa) BGB Nr. 160 = NJW-RR 1995, 857; Soergel/Ekkenga/Kuntz, BGB, 13. Aufl., § 254 Rn 68 ff.; Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 254 Rn 32 ff.). Das Verhalten des Geschädigten ist dem (Mit-)Verursacher nur dann nicht zuzurechnen, wenn es zu einer rechtlich relevanten Unterbrechung des Kausalverlaufs führt (MüKo-BGB/Oetker, § 249 Rn 169). Das kommt jedoch nur in Betracht, sofern das schadensursächliche Verhalten des Geschädigten der Handlung des anderen Teils nachfolgt und die an sich äquivalente und adäquate Erstursache in den Hintergrund treten lässt (siehe dazu etwa BGHZ 193, 297 = NJW 2012, 3165, 3170 = DStR 2012, 1825 = DStRE 2012, 1478 = NZG 2012, 866 = NZI 2012, 853 Rn 48; Soergel/Ekkenga/Kuntz, vor § 249 Rn 160). Vorliegend ging der schadensverursachende Tatbeitrag des Kl. jedoch dem Tatbeitrag des Bekl. voraus oder erfolgte zeitgleich mit diesem (zur Unmaßgeblichkeit der zeitlichen Reihenfolge der Mitwirkungsbeiträge siehe Staudinger/Schiemann, § 254 Rn 37)."
Der Bekl. handelte fahrlässig. Er konnte voraussehen, dass sich andere Personen auf dem Bahnsteig ihm in den Weg stellen würden, um ihn aufzuhalten. Für den Bekl. war abzusehen, dass zumindest ein Teil dieser Personen, wie auch der Kl., in dem Zug mitbekommen hatten, dass er (Bekl.) “schwarz gefahren' und deshalb von dem Polizeibeamten vorläufig fest genommen worden war. Keinesfalls konnte der Bekl. davon ausgehen, dass die anderen Personen auf dem Bahnsteig ihm den Fluchtweg freihalten würden, schon gar nicht aus der Erwägung, bei der Schwarzfahrt handele es sich nur um einen geringfügigen Verstoß. Vielmehr musste der Bekl. ohne Weiteres erkennen, dass jedenfalls ein Teil der übrigen Fahrgäste über ihn als “Schwarzfahrer' verärgert und daran interessiert waren, dass er dafür zur Verantwortung gezogen wird.
Den Kl. trifft jedoch ein erhebliches Mitverschulden (§ 254 Abs. 1 BGB). Er musste seinerseits damit rechnen, dass der Bekl. nicht mehr auf seine (des Kl.) Bewegung reagieren würde oder reagieren konnte und es deshalb zu einem heftigen Aufprall des Bekl. auf seinen (des Kl.) Körper kommen würde. Dabei konnte der Kl. nicht einmal ausschließen, dass der Aufprall so heftig sein würde, dass er vom Bahnsteig in das Gleisbett gestoßen würde. Das Mitverschulden des Kl. ist jedoch nicht so groß, dass dadurch die Haftung des Bekl. insgesamt entfiele. Dem Kl. kann dabei nicht vorgehalten werden, dass er sich als Privatmann nicht an der Verfolgung des Bekl. hätte beteiligen dürfen. Zwar trifft es zu, dass für die Verfolgung des Delikts die Polizeibehörden, namentlich die anwesenden Polizeibeamten zuständig waren. Daraus kann jedoch nur hergeleitet werden, dass der Kl. nicht verpflichtet war, sich in die Verfolgung des Bekl. einzuschalten. Ebenso ist nicht maßgeblich, ob das Verhalten des Kl. durch das Festnahmerecht des § 127 StPO gerechtfertigt war. Das Festnahmerecht ist für die Frage von Bedeutung, ob der Kl. für Schäden haftet, die er dem Bekl. zugefügt hat. Das Mitverschulden des Kl. beurteilt sich dagegen allein nach der Abwägung, ob es angemessen war, sich wegen des konkreten Vorfalls, der Schwarzfahrt, dem Risiko einer nicht unerheblichen Körperverletzung auszusetzen. Dabei ist dem Kl. zugute zu halten, dass er spontan reagierte und kaum Überlegungszeit hatte, die Schwere des verfolgten Delikts und den genauen Umfang des Risikos gegeneinander abzuwägen. Wenn er dies auch nicht ausschließen konnte, so drängte es sich aus der persönlichen Sicht des Kl. trotz der erheblichen Körpermaße des Bekl. und dessen Laufgeschwindigkeit auch nicht auf, dass er (Kl.) durch den Aufprall in das Gleisbett gestoßen werden und erhebliche Verletzungen erleiden würde. Andererseits musste der Kl. vor seinem Handeln erkennen, dass er die Risiken in der Kürze der Zeit nur unzureichend beurteilen konnte und sein Eingreifen nicht zwingend notwendig war, da sich bereits Polizeibeamte um die Verfolgung des Be...