BGB § 249 § 421 § 823 Abs. 1; StVG § 7 § 17 § 18; VVG § 115
Leitsatz
1. Bei einem fast die gesamte Fahrbahn einnehmenden Anhängergespann erhöht sich dessen Betriebsgefahr, da der Seitenabstand zu parkenden Fahrzeugen nicht ohne in den Gegenverkehr zu geraten eingehalten werden kann.
2. Bei Kollision eines fast die gesamte Fahrbahn einnehmenden Anhängergespanns mit einer unter Verstoß gegen § 14 StVO geöffneten Fahrertür eines Pkw tritt die dann erhöhte Betriebsgefahr des Anhängergespanns hinter dem Alleinverschulden des Halters des geparkten Pkw nicht vollständig zurück.
OLG Celle, Urt. v. 7.6.2017 – 14 U 167/16
Sachverhalt
Der Kl. hatte seinen Pkw in einer Parkbucht am rechten Fahrbahnrand einer Straße kurz vor einer Ampel an einer Kreuzung geparkt und die Fahrzeugtür ca. 40–50 cm geöffnet, um sich in sein Fahrzeug zu setzen. Die Fahrzeugtür ragte in die Fahrbahn hinein. Zur gleichen Zeit stand der Bekl. zu 1) mit seinem bei der Bekl. zu 2) haftpflichtversicherten Fahrzeug, mit dem er einen Anhänger zog, vor der rot zeigenden Lichtzeichenanlage an der Kreuzung. Dabei befand sich der Anhänger, eine Arbeitsbühne, der ca. 4 Meter lang ist und dessen Radkästen sowohl an Vorder- als auch Hinterachse jeweils breiter als die dazwischen liegenden Bedienungselemente sind und nahezu die gesamte Fahrbahnbreite einnehmen, auf Höhe des Pkw des Kl., wobei sich die Fahrertür des Pkw des Kl. auf Höhe des schmaleren Bedienungselementes des Anhängers befand.
Als sich der Kl. gesetzt hatte und die Fahrertür schließen wollte, fuhr der Bekl. zu 1) mit seinem Gespann an, so dass der hintere rechte Radkasten des Anhängers mit der noch geöffneten Fahrertür des Fahrzeugs des Kl. kollidierte. Der Kl. hat den Ersatz der dabei entstandenen Schäden verfolgt.
Die Berufung des Kl. hatte teilweise Erfolg.
2 Aus den Gründen:
" … II. Die Bekl. haften dem Kl. aus (erhöhter) Betriebsgefahr des Anhängergespanns zu 25 % für dessen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 2.4.2015 gem. §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, Abs. 2, 18 Abs. 1 StVG, §§ 249, 421, 823 Abs. 1 BGB, § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 4 VVG, § 1 PflVG."
1. Unabwendbarkeit des Verkehrsunfalls i.S.v. § 17 Abs. 3 StVG liegt für keine der Parteien vor.
a) Der Kl. nimmt Unabwendbarkeit des Verkehrsunfalls für sich schon nicht in Anspruch, hatte im Übrigen gem. § 14 Abs. 1 StVO beim Einsteigen in sein Fahrzeug jegliche Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen und hätte bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt erkennen können, dass eine Kollision mit dem Anhänger des Beklagtenfahrzeugs droht, wenn dieses sich nach Umschalten der Lichtzeichenanlage auf grün wieder vorwärts bewegt.
b) Für den Bekl. zu 1) war der Unfall ebenfalls nicht unabwendbar.
Ein Verkehrsunfall ist unabwendbar, wenn dieser auch bei der äußersten möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden kann (BGHZ 117, 337 = NJW 1992, 1684 = NZV 1992, 229). Gefordert wird nicht absolute Unvermeidbarkeit, sondern ein an durchschnittlichen Verhaltensanforderungen gemessenes ideales, also überdurchschnittliches Verhalten (BGH NJW 1986, 183; OLG Koblenz NJW-RR 2006, 94 = NZV 2006, 201), welches sachgemäß, geistesgegenwärtig und über den gewöhnlichen und persönlichen Maßstab hinausgeht, wobei alle möglichen Gefahrenmomente zu berücksichtigen sind (BGHZ 113, 164 = NJW 1991, 1171 = NZV 1991, 185 = NJW-RR 1991, 669 Ls.).
Daran gemessen hätte der Bekl. zu 1) als Idealfahrer durch einen Blick in den rechten Außenspiegel vor dem Anfahren erkannt, dass die Fahrertür des klägerischen Pkw in den Verkehrsraum hineinragt und eine Kollision mit dem nahezu die gesamte Fahrbahnbreite einnehmenden Anhängergespann aufgrund des nur geringen Seitenabstands von 20 cm drohte und diese vermeiden können.
2. Im Rahmen der nach § 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG vorzunehmenden Haftungsabwägung hänge die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insb. davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Zunächst ist das Gewicht des jeweiligen Verursachungsbeitrags der Kfz-Halter zu bestimmen, wobei zum Nachteil der einen oder anderen Seite nur feststehende, d.h. unstreitige oder bewiesene Umstände berücksichtigt werden dürfen, die sich auch nachweislich auf den Unfall ausgewirkt haben (Heß, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. Aufl. 2016, § 17 StVG Rn 13). In einem zweiten Schritt sind die beiden Verursachungsanteile gegeneinander abzuwägen.
a) Auf Seiten des Kl. war – wie das LG zutreffend festgestellt hat – ein Verstoß gegen die ihn nach § 14 Abs. 1 StVO treffenden Sorgfaltspflichten zu berücksichtigen. Danach musste der Kl., der in ein Fahrzeug einstieg, sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrssteilnehmer ausgeschlossen war; dieser hatte mithin höchste Sorgfaltsanforderungen zu wahren. Hätte er vor dem Öffnen seiner Fahrertür die notwendige Vorsicht gewahrt, hätte er erkannt, dass die Radkästen des Anhängers, der erkennbar nur verkehrsbedingt neben seinem geparkten Fahrzeug zum Stehen ge...