"… Im Ergebnis zu Recht hat das LG die Klage abgewiesen. Dem Kl. steht kein Anspruch auf Zahlung einer Invaliditätsentschädigung aufgrund des zwischen den Parteien abgeschlossenen Unfallversicherungsvertrages zu. Auch nach Auffassung des Senats kann ein versichertes Unfallereignis unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bejaht werden."
A) Zunächst sind im Streitfall nicht die Voraussetzungen der Ziff. 1.3 AUB 2008 erfüllt.
Nach dieser Klausel liegt ein Unfall vor, wenn der Versicherte durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper einwirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Als Unfall ist damit jedes vom Versicherten nicht beherrschbare und in Bezug auf die dadurch verursachte Gesundheitsschädigung unfreiwillige Geschehen anzusehen (…). Diese Voraussetzungen sind auch dann gegeben, wenn eine vom Willen des Versicherten getragene und gesteuerte Eigenbewegung zu einer plötzlichen Einwirkung von außen führt, indem eine anfänglich willensgesteuerte Eigenbewegung in ihrem weiteren Verlauf nicht mehr gezielt und für ihn beherrschbar, wird, so dass Eigenbewegung und äußere Einwirkung zusammentreffen, wobei die äußere Einwirkung ihrerseits Einfluss auf die veränderte und nicht mehr beherrschbare Eigenbewegung nehmen muss (…).
Nach diesem Maßstab liegt auch auf Grundlage des klägerischen Tatsachenvortrags kein Unfall vor. Geht man davon aus, dass der Sohn des Kl. unwillkürliche und vom Kl. nicht vorhersehbare Bewegungen ausgeführt hat, dann können diese zwar als Einwirkungen von außen aufgefasst werden. Entscheidend ist aber, dass nicht diese Einwirkungen die Gesundheitsbeschädigung des Kl. hervorgerufen haben sollen, sondern die Reaktion des Kl. hierauf, nämlich das Nachfassen. Dieses Nachfassen stellt hingegen eine willensgesteuerte und beherrschbare Eigenbewegung dar.
B) Nach dem Vortrag des Kl. kann auch nicht von dem Vorliegen eines zu einer Leistungspflicht führenden Unfallereignisses nach dem erweiterten Unfallbegriff gem. Ziff. 1.4.1 AUB 2008 ausgegangen werden.
Selbst wenn man – anders als das LG – der rechtlichen Beurteilung zugrunde legen würde, dass das in den Krankenunterlagen beschriebene Ödem sich deswegen gebildet hat, weil neben dem Bruch des Wirbels T 12 auch eine Verletzung von Bändern und Muskeln stattgefunden hat, änderte dies nichts, denn der Kl. leitet seinen Dauerschaden von der Fraktur des Brustwirbels T 12 her. Sein Vortrag geht dahin, dass nach durchgeführter Osteosynthese des Brustwirbels und der postoperativen Nachbehandlung eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung aufgrund eingeschränkter Rotation verblieben sei. Zutreffend weist die Bekl. insoweit darauf hin, dass eine Versicherungsleistung nach Ziff. 1.4.1 AUB 2008 nur dann erbracht werden muss, wenn die Invalidität aus der Verrenkung eines Gelenks oder aus der Zerrung von Muskeln, Sehnen, Bändern und Kapseln folgt. Soweit der Kl. (…) vorbringt, die Ödeme hätten die Zervikobrachialgie bzw. die Lumboischialgie verursacht, steht dies nicht nur im Widerspruch zu dem erstinstanzlichen Vortrag des Kl., sondern es handelt es sich um streitigen, erstmals in der Berufungsinstanz vorgebrachten neuen Vortrag, der nach § 531 Abs. 2 Ziff. 3 ZPO nicht mehr zu berücksichtigen ist, zumal er nicht einmal in der Berufungsbegründung sondern entgegen § 520 Abs. 2 und 3 ZPO erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist in einem weiteren Schriftsatz vorgebracht worden ist.
C) Schließlich hat das LG zu Recht eine analoge Anwendung der Ziff. 1.4.1. AUB 2008 auf Knochenfrakturen abgelehnt.
Die darin angeführten Erweiterungsfälle sind abschließend und nicht exemplarisch aufgezählt. Der VR wollte den Versicherungsschutz auf die dort genannten Fälle beschränken, um sein Risiko möglichst gering zu halten. Eine analoge Anwendung kommt deshalb nicht in Betracht (OLG Oldenburg BeckRS 2008, 18821). Eine für eine Analogie erforderliche Regelungslücke liegt nicht vor. Die Reichweite des Einschlusses bzw. der Fiktion ist von den Verfassern der jeweiligen Musterbedingungen sorgfältig geprüft und bei jeder neuen AUB-Generation erneut überdacht worden. Ziff. 1.4 AUB 2008 enthält vielmehr eine – auch für den durchschnittlichen und aufmerksamen VN erkennbare – abschließende und nicht exemplarische Aufzählung der Voraussetzungen, unter denen der VR zusätzlich Versicherungsschutz gewähren will (Leverenz in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2010, AUB Ziff. 1, Rn 58). (…)“
zfs 11/2019, S. 643 - 644