VVG § 178; AUB 2008 1.4.1.
Leitsatz
1. Ist eine Gesundheitsbeschädigung darauf zurückzuführen, dass ein VN, dem eine von ihm gehobene schwere Last entgleitet, nachfasst, so liegt kein Unfallereignis vor.
2. Die Fraktur eines Brustwirbelknochens, die aufgrund einer erhöhten Kraftanstrengung erfolgt, ist von einem Unfallversicherungsvertrag nicht gedeckt.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.9.2018 – 3 U 178/17
Sachverhalt
Der Kl. nimmt die Bekl. aus seiner privaten Unfallversicherung in Anspruch. Im Jahr 2006 im Rahmen eines Verkehrsunfalls zog er sich eine BWK 12-Fraktur zu. Es folgte eine konservative Behandlung.
Am XX.XX.2016 hob der damals 7X-jährige, 110 kg schwere Kl. seinen auf dem Boden liegenden, erwachsenen und unter einer Spastik leidenden 80 kg schweren Sohn auf.
Am 20.5.2016 begab sich der Kl. zur Behandlung in ein Krankenhaus, wo ein MRT durchgeführt wurde. Am 25.5.2016 wurde er mittels einer Osteosynthese, einer dynamischen Stabilisierung an der Wirbelsäule, operiert. Es wurde ein Schraubenstabsystem an zwei Segmenten T 11 auf L1 mit Augmentation der Schraubenlage eingebracht.
Der Kl. hat behauptet, dass sein Sohn am XX.XX.2016, nachdem er ihn am Boden liegend von hinten im Bereich unter den Armen um die Brust umfasst habe, plötzlich eine Eigenbewegung ausgeführt habe, was dazu geführt habe, dass der Sohn zwischen den Armen des Kl. wieder nach unten gerutscht sei. Der Kl. habe daraufhin ruckartig zugepackt, um ihn wieder aufzurichten. Hierdurch habe der Kl. eine Brustwirbelfraktur T 12 erlitten. Trotz der durchgeführten Operation und der anschließenden postoperativen Nachbehandlung sei bei dem Kl. ein Dauerschaden verblieben. Er leide weiterhin an einer erheblichen schmerzhaften Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule mit Zervikobrachialgie und Lumboischialgie, ins linke Bein ausstrahlend. Die Rotation sei eingeschränkt.
2 Aus den Gründen:
"… Im Ergebnis zu Recht hat das LG die Klage abgewiesen. Dem Kl. steht kein Anspruch auf Zahlung einer Invaliditätsentschädigung aufgrund des zwischen den Parteien abgeschlossenen Unfallversicherungsvertrages zu. Auch nach Auffassung des Senats kann ein versichertes Unfallereignis unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bejaht werden."
A) Zunächst sind im Streitfall nicht die Voraussetzungen der Ziff. 1.3 AUB 2008 erfüllt.
Nach dieser Klausel liegt ein Unfall vor, wenn der Versicherte durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper einwirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Als Unfall ist damit jedes vom Versicherten nicht beherrschbare und in Bezug auf die dadurch verursachte Gesundheitsschädigung unfreiwillige Geschehen anzusehen (…). Diese Voraussetzungen sind auch dann gegeben, wenn eine vom Willen des Versicherten getragene und gesteuerte Eigenbewegung zu einer plötzlichen Einwirkung von außen führt, indem eine anfänglich willensgesteuerte Eigenbewegung in ihrem weiteren Verlauf nicht mehr gezielt und für ihn beherrschbar, wird, so dass Eigenbewegung und äußere Einwirkung zusammentreffen, wobei die äußere Einwirkung ihrerseits Einfluss auf die veränderte und nicht mehr beherrschbare Eigenbewegung nehmen muss (…).
Nach diesem Maßstab liegt auch auf Grundlage des klägerischen Tatsachenvortrags kein Unfall vor. Geht man davon aus, dass der Sohn des Kl. unwillkürliche und vom Kl. nicht vorhersehbare Bewegungen ausgeführt hat, dann können diese zwar als Einwirkungen von außen aufgefasst werden. Entscheidend ist aber, dass nicht diese Einwirkungen die Gesundheitsbeschädigung des Kl. hervorgerufen haben sollen, sondern die Reaktion des Kl. hierauf, nämlich das Nachfassen. Dieses Nachfassen stellt hingegen eine willensgesteuerte und beherrschbare Eigenbewegung dar.
B) Nach dem Vortrag des Kl. kann auch nicht von dem Vorliegen eines zu einer Leistungspflicht führenden Unfallereignisses nach dem erweiterten Unfallbegriff gem. Ziff. 1.4.1 AUB 2008 ausgegangen werden.
Selbst wenn man – anders als das LG – der rechtlichen Beurteilung zugrunde legen würde, dass das in den Krankenunterlagen beschriebene Ödem sich deswegen gebildet hat, weil neben dem Bruch des Wirbels T 12 auch eine Verletzung von Bändern und Muskeln stattgefunden hat, änderte dies nichts, denn der Kl. leitet seinen Dauerschaden von der Fraktur des Brustwirbels T 12 her. Sein Vortrag geht dahin, dass nach durchgeführter Osteosynthese des Brustwirbels und der postoperativen Nachbehandlung eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung aufgrund eingeschränkter Rotation verblieben sei. Zutreffend weist die Bekl. insoweit darauf hin, dass eine Versicherungsleistung nach Ziff. 1.4.1 AUB 2008 nur dann erbracht werden muss, wenn die Invalidität aus der Verrenkung eines Gelenks oder aus der Zerrung von Muskeln, Sehnen, Bändern und Kapseln folgt. Soweit der Kl. (…) vorbringt, die Ödeme hätten die Zervikobrachialgie bzw. die Lumboischialgie verursacht, steht dies nicht nur im Widerspruch zu dem erstinstanzlichen Vortrag des Kl., sondern es handelt es sich um streitigen, erstmals in der Berufungsinstanz vorgebrachten neu...