Der Entscheidung ist zuzustimmen. Gleich in welcher Gerichtsbarkeit wird regelmäßig um den Anfall und/oder die Erstattungsfähigkeit der Dokumentenpauschale für die Fertigung von Kopien aus Behörden- oder Gerichtsakten gestritten. So manches Mal hat man den Eindruck, der über die Dokumentenpauschale entscheidende Rechtspfleger/UdG müsse die Dokumentenpauschale aus eigener Tasche zahlen. Da ist die Entscheidung des BayVGH geradezu ein Lichtblick.
Anfall und Erstattungsfähigkeit der Dokumentenpauschale
Geht es um die Erstattungsfähigkeit der Dokumentenpauschale für die Fertigung von Kopien aus Behörden- oder Gerichtsakten, ist eine zweistufige Prüfung vorzunehmen:
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Nach Nr. 7000 Nr. 1a) VV RVG entsteht die Dokumentenpauschale für Kopien und Ausdrucke aus Behörden- und Gerichtsakten nur, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Verneint man die "Gebotenheit", fällt die Dokumentenpauschale bereits nicht an. |
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Bejaht man die "Gebotenheit", so ist die Dokumentenpauschale vom unterlegenen Gegner nur dann zu erstatten, soweit sie zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war, wovon allerdings bei anwaltlichen Auslagen grundsätzlich auszugehen ist (s. nachfolgend III.). Diese zweite Prüfung kann im Einzelfall dazu führen, dass die gebotene Anfertigung von Kopien aus Behörden- oder Gerichtsakten nicht notwendig war und die Dokumentenpauschale deshalb nicht erstattungsfähig ist. |
Diese beiden Prüfungsschritte werden in der Praxis häufig nicht auseinandergehalten. Auch der BayVGH befasst sich ausführlicher mit der "Gebotenheit" der Fotokopien als – auch – mit deren Erstattungsfähigkeit.
Die Grundsätze der Entscheidung des BayVGH
Die tragenden Grundsätze der Entscheidung des BayVGH lassen sich kurz zusammenfassen:
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Für die Frage, ob die Fertigung von Kopien zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten ist, ist eine ex-ante-Sicht maßgeblich. |
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Dabei ist dem Rechtsanwalt ein gewisser Beurteilungsspielraum einzuräumen. |
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Eine kleinliche Handhabung ist nicht angezeigt. |
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Der Rechtsanwalt ist nicht verpflichtet, bei der Fertigung von Kopien aus Behörden- oder Gerichtsakten jede einzelne Seite vor der Fertigung einer Kopie detailliert zu lesen. |
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Dabei kommt es einerseits auch auf den Umfang der Behörden- oder Gerichtsakten und andererseits auf die zur Verfügung stehende Zeit zur Einsichtnahme in diese Akten an. |
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Im Einzelfall kann die Kopie der kompletten Akte erforderlich sein. |
Leider werden in der Praxis diese im Regelfall zutreffenden Grundsätze nicht immer beachtet.
Besonderheiten bei der Erstattungsfähigkeit der anwaltlichen Dokumentenpauschale
Gem. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO bzw. § 162 Abs. 1 S. 1 VwGO hat die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insb. die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. In der gerichtlichen Praxis und selbst gelegentlich vom BGH (siehe BGH RVGreport 2018, 63 [Hansens] = zfs 2018, 106 mit Anm. Hansens = AGS 2018, 42) wird immer wieder übersehen, dass für die Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei eine Sonderregelung gilt. Gem. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO bzw. § 162 Abs. 1 S. 1 VwGO sind nämlich die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei grundsätzlich zu erstatten. Diese Vorschrift bildet somit eine Ausnahme von der Grundregel in § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, sodass es der grds. gebotenen Prüfung der Notwendigkeit der entstandenen Kosten nicht bedarf. Somit sind die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei stets als zweckentsprechend verursachte Kosten anzusehen (BGH RVGreport 2012, 59 (Hansens) = zfs 2012, 43 mit Anm. Hansens; BGH RVGreport 2014, 315 (Ders.); BGH RVGreport 2014, 76 (Ders.); BGH RVGreport 2018, 179 (Ders.); BAG RVGreport 2012, 349 (Ders.)). Folglich sind die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts nur dann nicht erstattungsfähig, wenn für die Tätigkeit des Anwalts – hier für die Anfertigung der Kopien – ausnahmsweise kein Anlass besteht (s. BGH RVGreport 2008, 274 (Ders.) = zfs 2009, 465 mit Anm. Hansens; BGH RVGreport 2018, 179 (Ders.)). Nimmt also eine Partei im Prozess einen Rechtsanwalt zu Hilfe, sind die ihr hierdurch entstehenden anwaltlichen Gebühren und Auslagen erstattungsfähig (siehe grundlegend BGH BRAGOreport 2003, 53 [Hansens] = AGS 2003, 219). Dieses Regel-Ausnahme-Prinzip wird in der Rechtsprechung häufig übersehen. Es kommt auch in der vorliegenden Entscheidung des BayVGH nicht hinreichend zum Ausdruck.
VorsRiLG a.D. Heinz Hansens
zfs 11/2020, S. 645 - 646