VwGO § 80 Abs. 5 § 146 Abs. 4; BayVwVfG Art. 28 Abs. 1 Art. 31 Abs. 7; StVG § 3 Abs. 1 S. 1; FeV § 11 Abs. 8 § 14 Abs. 1 S. 2; Anl. 4 zur FeV Nr. 9.1
Leitsatz
1) Zwar ist der widerrechtliche Betäubungsmittelbesitz ein Tatbestandsmerkmal, für das die Fahrerlaubnisbehörde die materielle Beweislast trägt. Vor dem Hintergrund, dass der Erwerb einer "Scheindroge" ein seltener Ausnahmefall ist, ist im Rahmen der Beweiswürdigung jedoch die Annahme gerechtfertigt, dass ohne substantiierte und plausible Darlegung des Gegenteils hiervon nicht ausgegangen werden muss.
2) Eine Beibringungsfrist von zwei Monaten für ein ärztliches Gutachten nach § 14 Abs. 1 S. 2 FeV ist grundsätzlich ausreichend bemessen. Dient die Vorlage des Gutachtens nicht dem Nachweis der Wiedererlangung der Fahreignung, sondern – wie hier – der Klärung der Frage, ob der Fahrerlaubnisinhaber seine Fahreignung verloren hat, ist die Beibringungsfrist nach der Zeitspanne zu bemessen, die von einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Erstattung des Gutachtens voraussichtlich benötigt wird. Den Eignungszweifeln ist in diesem Fall so zeitnah wie möglich durch die gesetzlich vorgegebenen Aufklärungsmaßnahmen nachzugehen, da insofern die Abwendung möglicher erheblicher Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer in Frage steht.
(Leitsatz 1: Amtlicher Leitsatz, Leitsatz 2: Leitsatz der Schriftleitung)
BayVGH, Beschl. v. 7.9.2020 – 11 CS 20.1418
1 Aus den Gründen:
"… II."
[14] Die Beschwerde ist unzulässig, soweit mit ihr die Aufhebung der Zwangsgeldandrohung begehrt wird, und im Übrigen unbegründet.
[15] Der AG weist zu Recht darauf hin, dass die Beschwerdebegründung nicht den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 S. 3 VwGO genügt, soweit das VG (VG Würzburg, Beschl. v. 26.5.2020 – W 6 S 20.652) die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen die Zwangsgeldandrohung abgelehnt hat, weshalb die Beschwerde insoweit zu verwerfen ist (§ 146 Abs. 4 S. 4 VwGO). Da sich die Zwangsgeldandrohung mit der Abgabe des Führerscheins am 14.5.2020 erledigt hatte und der AG nicht zu erkennen gegeben hat, dass er das Zwangsgeld gleichwohl beizutreiben beabsichtigt, fehlte dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO insoweit das Rechtsschutzbedürfnis (st. Rspr., vgl. BayVGH, Beschl. v. 10.10.2019 – 11 CS 19.1451 – juris Rn 14 m.w.N.). Hiermit setzt sich die Beschwerde nicht ansatzweise auseinander.
[16] Im Übrigen ergibt sich aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der VGH beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 S. 1 und 6 VwGO), nicht, dass die Entscheidung des VG zu ändern oder aufzuheben wäre.
[17] Entgegen der Auffassung des ASt. leidet der Bescheid, mit dem ihm der AG die Fahrerlaubnis entzogen hat, nicht schon wegen einer zu knapp bemessenen Anhörungsfrist oder der Ablehnung, diese zu verlängern, an einem formellen Rechtsfehler. Gem. Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG ist vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in die Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Vor dem Hintergrund, dass es sich um einen einfach gelagerten Sachverhalt handelte, der dem ASt. und seinem Prozessbevollmächtigten schon seit Zugang der Gutachtensanordnung vom 21.1.2020 bekannt war und zu dem sich die Beteiligten schon geäußert hatten, durfte das Landratsamt davon ausgehen, dass eine kurze Äußerungsfrist ausreichen würde. Eine Verlängerung der Anhörungsfrist hat der ASt. nicht beantragt. Nach dem Aktenvermerk über das Telefonat vom 14.4.2020 und auch nach dem Beschwerdevorbringen hat er vielmehr -- was nicht dasselbe ist – um eine Verlängerung der Beibringungsfrist gebeten. Dasselbe gilt für das beim Landratsamt nicht eingegangene Schreiben vom 14.4.2020. Im Übrigen hat sich der ASt. auch in den zwölf Tagen nach Ablauf der Anhörungsfrist am 16.4.2020 bis zum Versand des Entziehungsbescheids am 28.4.2020 nicht mehr geäußert.
[18] Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Nach § 3 Abs. 1 S. 1 StVG (BGBl I S. 310), im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Gesetz v. 5.12.2019 (BGBl I S. 2008), und § 46 Abs. 1 S. 1 FeV (BGBl I S. 1980), im maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Verordnung v. 2.10.2019 (BGBl I S. 1416), in Kraft getreten zum 1.1.2020, hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kfz ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV).
Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV entfällt bei Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) die Fahreignung. Begründet der widerrechtliche Besitz von Betäubungsmitteln im Sinne des BtMG Zweifel an der Fahreignung, kann die Fahrerlaubnisbehörde nach § 14 Abs. 1 S. 2 FeV die Beibringung ...