VVG § 37 § 49 § 52; KfzPflVV § 9; AKB B2.4
Leitsatz
Auch wenn ein Hauptvertrag über eine Kfz-Versicherung nicht zustande gekommen ist, weil im Versicherungsantrag ein anderes Fahrzeug ausgewiesen wurde als im Versicherungsschein und der Versicherungsnehmer das darin liegende neue Angebot mangels Prämienzahlung nicht angenommen hat, so bleibt die Leistungspflicht des Kfz-Haftpflichtversicherers aus der vorläufigen Deckung bestehen, wenn das den Unfall verursachende Fahrzeug mit einer "blanko" erteilten elektronischen Versicherungsbestätigung zugelassen wurde.
KG, Urt. v. 29.5.2020 – 6 U 102/19
Sachverhalt
Die Kl. hat als Kfz-Haftpflichtversicherer des Fahrzeugs des Bekl. an dessen Unfallgegnerin aufgrund eines vom Bekl. verursachten Unfalls Schadenersatzleistungen i.H.v. 23.798,35 EUR erbracht.
Mit ihrer Klage hat sie die Verurteilung des Bekl. zur Zahlung von 22.503,96 EUR zuzüglich Zinsen begehrt, weil sie dem Bekl. gegenüber im Innenverhältnis nicht zur Leistung verpflichtet gewesen sei. Ihre Leistungsfreiheit ergebe sich daraus, dass sich der Bekl. zum Unfallzeitpunkt am 9.1.2018 schuldhaft mit der Zahlung der mit Versicherungsschein v. 14.7.2017 angeforderten Prämienzahlung in Verzug befunden habe. Sie hat die Erstattung ihrer Haftpflichtversicherungsleistungen zuzüglich eigener Aufwendungen in Form von Prüfkosten i.H.v. 160,63 EUR abzüglich einer nach dem Unfall erbrachten Prämienzahlung des Bekl. i.H.v. 1.455,02 EUR geltend gemacht.
Das LG hat die Klage abgewiesen, weil die Prämienanforderung der Höhe nach unzutreffend gewesen sei. Da die angeforderte und im Versicherungsschein ausgewiesene Prämie von der im Antrag des Bekl. ausgewiesenen Prämie nach oben abweiche und die Kl. entgegen § 5 Abs. 2 VVG im Versicherungsschein auf die Abweichung nicht hingewiesen habe, sei der Versicherungsvertrag gem. § 5 Abs. 3 VVG mit der im Antrag ausgewiesenen, niedrigeren Prämie zustande gekommen.
Die Kl. macht geltend, § 5 Abs. 2 und 3 VVG seien gar nicht anwendbar, weil der Bekl. ein ganz anderes Fahrzeug zugelassen habe als im Antrag bezeichnet.
2 Aus den Gründen:
"… Das LG hat den mit der Klage geltend gemachten Regressanspruch jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Denn die Kl. war nicht nur im Außenverhältnis gegenüber dem Unfallgegner zur Erbringung der Haftpflichtversicherungsleistung gem. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG verpflichtet, sondern auch im Innenverhältnis zum Bekl."
Dabei mag es zwar auf der Grundlage ihres Vorbringens (…) zweifelhaft sein, ob überhaupt ein Hauptvertrag über das vom Bekl. zugelassene Fahrzeug auf der Grundlage des Versicherungsscheins v. 14.7.2017 zustande gekommen ist, da der Bekl. danach einen Antrag zu einem abweichenden Fahrzeugtyp mit niedrigerer Prämie gestellt und das in dem Versicherungsschein liegende Vertragsangebot mangels Zahlung der Prämie auch nicht konkludent angenommen hätte. Dies kann letztlich offen bleiben. Denn bei Nichtzustandekommen des Hauptvertrages würde die von der Kl. gewährte vorläufige Deckung durch Ausgabe einer “Blanko'-eVB und die Zulassung des Fahrzeugs durch den Bekl. mit dieser eVB fortbestehen, da dann weder vertragliche noch gesetzliche Beendigungsgründe eingetreten sind, insb. der Bekl. sich mit der Zahlung der mit dem Versicherungsschein angeforderten Prämie bei Nichtzustandekommen des Hauptvertrages gem. Versicherungsschein nicht in Verzug befunden haben kann, und die Kl. den Vertrag über die vorläufige Deckung auch nicht gekündigt hat.
Die Begründung im Einzelnen ergibt sich aus dem Hinweis v. 1.3.2020, zu dem die Parteien nichts Neues mehr vorgebracht haben. Der Senat hält an diesen Hinweisen fest:
“I. Die Sach- und Rechtslage stellt sich nunmehr wie folgt dar:
Die Kl. kann den Bekl. gem. § 116 S. 2 und 3 VVG wegen des Verkehrsunfalls vom 9.1.2018 in Höhe der an die Unfallgegnerin erbrachten Regulierungsleistungen als allein ausgleichspflichtigen Gesamtschuldner in Regress nehmen und von ihm zudem ihre eigenen Aufwendungen erstattet verlangen, wenn sie im Innenverhältnis zum Bekl. weder aus einem Hauptvertrag über die Kfz-Haftpflichtversicherung über das vom Bekl. geführte Fahrzeug Jaguar XJ 3.0 D mit dem Typschlüssel ABV noch aus einem entsprechenden Vertrag über vorläufigen Versicherungsschutz zur Leistung verpflichtet war.
1. Zur Chronologie nach jetzigem Sach- und Streitstand:
Am 10.5.2017 beantragte der Bekl. bei der Kl. über deren Versicherungsvertreter JS den Abschluss eines Kfz-Versicherungsvertrages für ein gebrauchtes Kraftfahrzeug des Herstellers J.
Die Kl. behauptet dazu nunmehr, der Bekl. habe den Antrag telefonisch gestellt und hierzu die in dem schriftlichen, vom Bekl. am 3.7.2017 unterzeichneten Neuantrag enthaltenen Daten zu dem Fahrzeug angegeben, insbesondere den – unstreitig unzutreffenden – Typ-Schlüssel ABP, der für einen J XF 3.0 D mit einer Einordnung in die Typklassen 23, 26 und 28 steht.
Der Bekl. hat (…) angegeben, das Büro des Vertreters S aufgesucht und die Fahrzeugpapiere vorgelegt zu haben, auf deren Grundlage der Vertreter das Angebot und den Neuantrag erstellt...