Leitsatz (amtlich)
Auch wenn ein Hauptvertrag über eine Kfz-Versicherung nicht zustande gekommen ist, weil im Versicherungsantrag ein anderes Fahrzeug ausgewiesen wurde als im Versicherungsschein und der Versicherungsnehmer das darin liegende neue Angebot mangels Prämienzahlung nicht angenommen hat, so bleibt die Leistungspflicht des Kfz-Haftpflichtversicherers aus der vorläufigen Deckung bestehen, wenn das den Unfall verursachende Fahrzeug mit einer "blanko" erteilten elektronischen Versicherungsbestätigung zugelassen wurde.
Normenkette
AKB B 2.4; BGB § 145 ff.; VVG §§ 5, 37, 52
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 23.05.2019; Aktenzeichen 44 O 258/18) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 23.05.2019, Az. 44 O 258/18, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Berlin ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 105 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 105 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 22.503,96 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Klägerin hat als Kfz-Haftpflichtversicherer des Fahrzeugs des Beklagten an dessen Unfallgegnerin aufgrund eines vom Beklagten verursachten Unfalls Schadenersatzleistungen in Höhe von 23.798,35 Euro erbracht.
Mit ihrer Klage hat sie die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 22.503,96 Euro zuzüglich Zinsen begehrt, weil sie dem Beklagten gegenüber im Innenverhältnis nicht zur Leistung verpflichtet gewesen sei. Ihre Leistungsfreiheit ergebe sich daraus, dass sich der Beklagte zum Unfallzeitpunkt am 9.1.2018 schuldhaft mit der Zahlung der mit Versicherungsschein vom 14.7.2017 (Anlage K 15, I/91 ff. d. A.) angeforderten Prämienzahlung (Beitragsrechnung Anlage K 16, I/95 ff.) in Verzug befunden habe. Sie hat die Erstattung ihrer Haftpflichtversicherungsleistungen zuzüglich eigener Aufwendungen in Form von Prüfkosten in Höhe von 160,63 Euro abzüglich einer nach dem Unfall erbrachten Prämienzahlung des Beklagten in Höhe von 1.455,02 Euro geltend gemacht.
Das Landgericht hat am 21.1.2019 ein entsprechendes Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren erlassen, gegen das der Beklagte rechtzeitig Einspruch eingelegt hat. Durch das von der Beklagten mit der Berufung angefochtene Urteil vom 23. 5. 2019 hat das Landgericht unter Aufhebung des Versäumnisurteils die Klage abgewiesen, weil die Prämienanforderung der Höhe nach unzutreffend gewesen sei. Da die angeforderte und im Versicherungsschein ausgewiesene Prämie von der im Antrag des Beklagten ausgewiesenen Prämie nach oben abweiche und die Klägerin entgegen § 5 Abs. 2 VVG im Versicherungsschein auf die Abweichung nicht hingewiesen habe, sei der Versicherungsvertrag gemäß § 5 Abs. 3 VVG mit der im Antrag ausgewiesenen, niedrigeren Prämie zustande gekommen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand und die dort wiedergegebenen Anträge erster Instanz sowie die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Mit ihrer zulässigen Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Klageantrag, das Versäumnisurteil vom 21.1.2019 unter Aufhebung des Urteils vom 23.5.2019 aufrecht zu erhalten, weiter.
Sie macht geltend, § 5 Abs. 2 und 3 VVG seien gar nicht anwendbar, weil der Beklagte ein ganz anderes Fahrzeug zugelassen habe als im Antrag bezeichnet, nämlich einen Jaguar mit dem Typ-Schlüssel ABV, im Gegensatz zu dem im Antrag angegebenen Typ-Schlüssel ABP. Die Zulassung dieses anderen Fahrzeugs könne als konkludenter Antrag des Beklagten auf Stellung eines neuen Versicherungsantrags ausgelegt werden, den sie durch die Übersendung des Versicherungsscheins angenommen habe. Sein neuer Antrag sei dahin auszulegen gewesen, ein Fahrzeug dieses Typs zum aktuellen Tarif der Klägerin versichern zu wollen. Auf die Auflage des Gerichts trägt sie - insoweit vom Beklagten unwidersprochen - hierzu mit Schriftsatz vom 27.1.2020 ergänzend vor, der Typ-Schlüssel ABP stehe für den Fahrzeugtyp XF 3.0 D, der im Antrag des Beklagten und in dem Angebot der Klägerin, beide vom 3.7.2017 (Anlagen K 14, I/ 88 ff. und B 1, I/127 f.), jeweils vor dem Typ-Schlüssel angegeben war. Der Typ-Schlüssel ABV stehe für den zugelassenen Fahrzeugtyp XJ 3.0 D, der in der Haftpflicht- und der Kaskoversicherung in teurere Typklassen eingeordnet werde als der Typ XF 3.0 D. Sofern § 5 Abs. 3 VVG angewendet werde, sei die Vorschrift jedenfalls auf alle Bestandteile des Antrags zu beziehen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er ist der Auffassung, mit der Zulassung keinen neuen konkludenten Antrag auf Abschluss eines - zutreffenden - Versicherungsvertrages gestellt zu haben, weil er mit der verwaltungsrechtlich gebotenen Vorgehens...