Parkplatzunfälle unter Beteiligung zweier mehr oder weniger gleichzeitig rückwärtsausparkender Fahrzeuge sind häufig. Sie sind auch häufig Gegenstand gerichtlicher Verfahren. In der Vergangenheit wurden entsprechende Fälle meist – pragmatisch – dahingehend bewertet, dass eine hälftige Schadenteilung vorzunehmen ist, da grundsätzlich auch dann, wenn eines der beiden Fahrzeuge kurz vor der Kollision zum Stillstand gekommen ist, die dem Rückwärtsfahren immanente Gefahr fortwirkt (KG, Urt. v. 25.10.2010 – 12 U 3/09, zfs 2011, 255). Anderes ergab sich unter konkreter Bewertung der Umstände des Einzelfalls regelmäßig dann, wenn tatsächlich, regelmäßig durch Zeugen, der Nachweis geführt werden konnte, dass tatsächlich eines der beteiligten Fahrzeuge vor der Kollision eine so relevante Zeit gestanden hatte, dass der Unfallgegner sich hierauf noch hätte einstellen können.
Letztlich führte auch die Erwägung, dass – jeweils – dann, wenn sich der Unfall im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem Rückwärtsfahren ereignet hat, der Beweis des ersten Anscheins für ein schuldhaftes Verhalten des Rückwärtsfahrenden spricht, zu einer jeweils hälftigen Schadenteilung.
Dieser praxisgerechte Lösungsweg ist in jüngerer Vergangenheit durch den BGH verbaut worden, indem dieser entschieden hat, dass es an der für die Anwendung eines Anscheinsbeweises gegen den Rückwärtsfahrenden erforderlichen Typizität des Geschehensablaufs fehlt, wenn beim rückwärtigen Ausparken von zwei Fahrzeugen aus Parkbuchten eines Parkplatzes zwar feststeht, dass vor der Kollision ein Fahrzeugführer rückwärts gefahren ist, aber nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein Fahrzeug im Kollisionszeitpunkt bereits stand, als der andere – rückwärtsfahrende – Unfallbeteiligte mit seinem Fahrzeug in das andere Fahrzeug hineingefahren ist (BGH, Urt. v. 15.12.2015 – VI ZR 6/15).
Wenig überraschend führte die entsprechende Entscheidung dazu, dass nunmehr regelmäßig ein Stillstand des jeweiligen Fahrzeugs für sich in Anspruch genommen wird, zumeist von beiden Unfallbeteiligten. Dies ist natürlich etwas befremdlich, da bei wechselseitigem Stillstand ein Unfall ja eher fernliegend ist.
Im Nachgang zur Entscheidung des BGH zeigte sich in der gerichtlichen Praxis, dass man dazu tendierte, demjenigen, der im Zeitpunkt der Kollision stillgestanden hat, 100 %-igen Schadenersatz zuzusprechen. Dies überzeugt jedoch nicht. An der Tatsache, dass das Rückwärtsfahren gefährlich ist, namentlich auf einem Parkplatz, wo regelmäßig mit anderen ausparkenden und rangierenden Fahrzeugen gerechnet werden muss, hat sich durch die Entscheidung des BGH nichts geändert. Insofern kommt die oben zitierte Entscheidung des OLG Saarbrücken zu dem zutreffenden Ergebnis, dass alleine der Stillstand die Betriebsgefahr eines Fahrzeuges nicht entfallen lässt. Weiterhin wendet das OLG Saarbrücken den Blick auf die Frage, wie die Unabwendbarkeit zu beurteilen ist. Zutreffend kommt es nicht darauf an, ob in der ganz konkreten Unfallsituation eine Reaktion des zunächst Rückwärtsfahrenden und dann zum Stillstand Gekommenen vorgelegen hat, sondern es ist eben auch darauf abzustellen, ob ein Idealfahrer bei rechtzeitiger Beobachtung der Verkehrssituation und der sich daraus entwickelnden Gefahrenlage sich in eine Situation gebracht hätte, aus der er dann auch bei späterem idealen Verhalten heraus einen Unfall nicht mehr verhindern kann.
Im Ergebnis wird in diesen Fällen jedenfalls immer dann eine Mithaftung aus der (ggf. durch das vorherige Rückwärtsfahren erhöhten) Betriebsgefahr anzunehmen sein, wenn nicht sicher nachgewiesen ist, dass unter Berücksichtigung der gesamten Verkehrssituation einer der Unfallbeteiligten so rechtzeitig zum Stillstand kam, dass ihm keinerlei Vorwurf gemacht werden kann und eine etwaige Haftung aus der (reinen) Betriebsgefahr hinter dem grob verkehrswidrigen Verhalten des anderweitigen rückwärts Ausparkenden vollständig zurücktritt.