VVG § 125; ARB 2010 § 4 Abs. 1 S. 1 lit. c, Abs. 2
Leitsatz
1. Für die zeitliche Einordnung des Rechtsschutzfalls ist auch im Passivprozess des VN nur auf denjenigen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften abzustellen, den der Versicherungsnehmer seinem Gegner im Ausgangsrechtsstreit anlastet.
2. Erhebt der Vermieter Räumungsklage nach fristloser Kündigung des Mietverhältnisses gegen seinen rechtsschutzversicherten Mieter wegen rückständigen Mietzinses, kommt es für zeitliche Einordnung des Versicherungsfalls in diesem Passivprozess nicht auf den vom Vermieter gegenüber dem Mieter geltend gemachten Kündigungsgrund an, sondern allein auf den Ausspruch des nach Ansicht des Mieters unberechtigten Kündigung.
3. Macht der rechtsschutzversicherte Mieter gegen seinen Vermieter Schadensersatzansprüche wegen Wasserschäden geltend, die auf einem Mangel in der Dachabdeckung beruhen, liegt der für die Bestimmung des Rechtsschutzfalls maßgebliche Vorwurf des VN darin, dass der Vermieter trotz Aufforderung zur Mängelbeseitigung untätig geblieben ist und nicht erst im Zeitpunkt des Schadeneintritts. Der Rechtsschutzfall erstreckt sich über einen Zeitraum i.S.d. § 4 (2) ARB 2010, sodass dessen Beginn maßgeblich ist.
OLG Köln, Urt. v. 14.1.2020 – 9 U 54/19
Sachverhalt
Die Kl. begehrt von der Bekl. im Berufungsverfahren Deckungszusage für die Übernahme der Kosten dreier Prozesse vor dem LG Z.
Die Kl., eine Aktiengesellschaft, unterhielt bei der Bekl. v. 17.3.2011 bis zum 9.3.2018 eine Rechtsschutzversicherung. Die vertraglich vereinbarte Wartezeit lief zum 17.6.2011 ab. Dem Vertrag lagen die ARB 2010 der Bekl. zugrunde. Von der Versicherung umfasst war der "K-Rechtsschutz für Unternehmen und freie Berufe" gem. § 28 ARB.
Gem. § 4 Abs. 1 S. 1 lit. c) ARB besteht Anspruch auf Rechtschutz nach Eintritt des Rechtsschutzfalles von dem Zeitpunkt an, in dem der VN oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll. Dabei besteht Versicherungsschutz für die Leistungsart § 2 lit. c) ARB (Wohnungs- und Grundstücksrechtschutz) und § 2 lit. d) ARB (Rechtsschutz im Vertrags- und Sachenrecht) jedoch erst nach Ablauf von drei Monaten nach Versicherungsbeginn (Wartezeit), soweit es sich nicht um die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen wegen der Verletzung dinglicher Rechte an Grundstücken, Gebäuden oder Gebäudeteilen handelt.
§ 4 Abs. 2 ARB lautet:
"Erstreckt sich der Rechtsschutz über einen Zeitraum, ist dessen Beginn maßgeblich. Sind für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen mehrere Rechtsschutzfälle ursächlich, ist der erste entscheidend, wobei jedoch jeder Rechtsschutzfall außer Betracht bleibt, der länger als ein Jahr vor Beginn des Versicherungsschutzes für den betroffenen Gegenstand der Versicherung eingetreten oder, soweit sich der Rechtsschutzfall über einen Zeitraum streckt, beendet ist."
Die Kl. hatte von ihrem damaligen Vermieter B. mit Mietvertag v. 16.2.2009 in der R.-straße in L. Gewerberäume, nämlich Lager, Büro und Werkstatt, zu einem monatlichen Mietzins von 850 EUR inkl. Heizkosten angemietet.
Die Gegenstände der Rechtsstreitigkeiten, für die die Kl. im Berufungsverfahren Deckungsschutz begehrt, stellen sich wie folgt dar:
Rechtsstreit 1
In diesem Verfahren klagt der damalige Vermieter der Kl. nach fristloser Kündigung des Mietverhältnisses v. 18.8.2011 auf Räumung und auf Zahlung rückständiger Miete. Er stützt die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses darauf, die hiesige Kl. habe ihre Miete ab Mai 2011 nicht mehr gezahlt. Die hiesige Kl. verteidigt sich damit, sie habe die Miete für den Monat Mai 2011 entrichtet, da sie mit einer ihr zustehenden Forderung aus zu Unrecht gezahlten Stromkosten aufgerechnet habe.
Die Bekl. lehnte die begehrte Deckungszusage ab und berief sich darauf, der Versicherungsfall sei vor Ablauf der vertraglich vereinbarten Wartezeit zum 17.6.2011 eingetreten.
Rechtsstreit 2
In diesem Prozess macht die Kl. gegen ihren damaligen Vermieter verschiedene Schadenersatzansprüche, u.a. wegen eines Wasserschadens v. 18.7.2011 geltend. Die Bekl. erteilte eingeschränkt Deckungszusage, soweit Störungen des Internets ab Oktober 2011 und eine Nötigung im November 2012 durch den damaligen Vermieter Gegenstand des Rechtsstreits sind. Im Übrigen lehnte die Bekl. die Deckung ab und berief sich auf Vorvertraglichkeit.
Rechtsstreit 3
In diesem zwischenzeitlich beendeten Verfahren machte die Kl. Schadenersatzansprüche gegen ihren damaligen Vermieter, u.a. wiederum wegen eines Wasserschadens v. 21.2.2012 geltend. Die Klage wurde (rechtskräftig) wegen Verjährung der Ansprüche abgewiesen. Die Bekl. verweigerte die Deckungszusage mit der Begründung, es liege Vorvertraglichkeit des Rechtsverstoßes vor.
2 Aus den Gründen:
"… Die Kl. hat gegen die Bekl. nur hinsichtlich der Verteidigung gegen die im Rechtsstreit 1 gegen die hiesige Kl. erhobene Räumungsklage sowie hinsichtlich der Verteidigung gegen die geltend gemachten rückständigen Mietzinszahlungen für den Zeitraum von Mai 2011 bis Dezember 2...