BGB § 249, StVG § 7, StVG § 17, VVG § 115
Leitsatz
1. Begehrt der Geschädigte eines Verkehrsunfalls eine Nutzungsausfallentschädigung, so trifft ihn bei einer ungewöhnlichen langen Reparaturdauer die Obliegenheit, sich nach deren Grund zu erkundigen und auf eine zügige Erledigung des Reparaturauftrages hinzuwirken. Kommt er dieser nicht nach und ist dies für eine verzögerte Reparatur kausal, liegt ein anspruchsminderndes Mitverschulden vor. Der Schädiger trägt die Darlegungs- und Beweislast für eine Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit und deren Kausalität für den Schaden. Den Geschädigten trifft jedoch eine sekundäre Darlegungslast, der zufolge er vortragen muss, welche Anstrengungen er unternommen hat, um eine zügige Reparatur zu erreichen (Anschluss OLG Saarbrücken, Urt. v. 23.3.2010 – 4 U 504/09 – 146)
2. Der Schädiger hat die Kosten einer Fahrzeugdesinfektion zu ersetzen, die die Werkstatt zur Vorbeugung gegen eine Coronainfektion nach der Erledigung des Reparaturauftrags vornimmt. Nicht ersatzfähig sind aber die Kosten einer Desinfektion vor Hereinnahme des Fahrzeugs, weil es sich insoweit um eine reine Arbeitsschutzmaßnahme handelt. Auch bei den Kosten einer Fahrzeugreinigung zur Beseitigung reparaturbedingter Verschmutzungen handelt es sich um einen ersatzfähigen Schaden (Anschluss AG Heinsberg, Urt. v. 4.9.2020 – 18 C 161/20 und AG Wolfratshausen, Urt. v. 15.12.2020 – 1 C 687/20).
AG Bautzen, Urt. v. 16.9.2021 – 21 C 570/20
Sachverhalt
Der Kläger nahm die Beklagten auf Schadensersatz wegen eines Unfalls in Anspruch, der sich am 14.4.2020 in K. ereignet hat. Die Beklagten haben den dem Grunde nach unstreitigen Anspruch zur zum Teil erfüllt. U.a. haben sie die Zahlung einer weiteren Nutzungsausfallentschädigung von 1.750,00 EUR sowie einen Ausgleich der Rechnungspositionen für eine Probefahrt (39,27 EUR), eine Fahrzeugreinigung (39,27 EUR) und für zwei Fahrzeugdesinfektionen (2 × 26,18 EUR) abgelehnt. Insoweit haben die Beklagten die Auffassung vertreten, eine Nutzungsentschädigung sei nur für die im Gutachten prospektierte Reparaturdauer zu zahlen. Im Übrigen habe dem Kläger ein Zweitwagen zur Verfügung gestanden. Eine Probefahrt diene lediglich der Ausgangskontrolle seitens der Werkstatt. Sie unterfalle den Gemeinkosten, weil die Werkstatt damit lediglich sicherstellen wolle, dass ihr Werk abnahmefähig sei. Und die Kosten einer etwaigen Fahrzeugreinigung seien nicht zu ersetzen, weil diese zur Schadensbeseitigung nicht erforderlich seien. Jedenfalls würden auch diese zu den allgemein kalkulierten Kosten zählen und den Kunden üblicherweise nicht in Rechnung gestellt werden. Schließlich sei eine Fahrzeugdesinfektion nicht zur Schadensbeseitigung erforderlich. Diese Maßnahme diene lediglich zur Vorbeugung gegen ein allgemeines Lebensrisiko.
Das Amtsgericht hat sich von diesen Argumenten nicht überzeugen lassen, sondern dem Kläger die vorgenannten Schadenspositionen zugesprochen.
2 Aus den Gründen:
I. 1. Der tenorierte Anspruch ergibt sich für den Beklagten zu 1 aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 Satz 1 StVG für die Beklagte zu 2 aus § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, § 1 Satz 1 PflVG. Die gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten folgt jedenfalls aus § 421 Satz 1 BGB.
Zu entscheiden war nur über die Höhe des zu ersetzenden Schadens, da die Alleinhaftung der Beklagten dem Grunde nach unstreitig ist. Der Kläger kann die Zahlung einer weiteren Nutzungsausfallentschädigung von 1.750,00 EUR, sowie Ersatz für Desinfektionskosten in Höhe von 26,31 EUR und für die Kosten einer Fahrzeugreinigung wie einer Probefahrt in Höhe von jeweils 39,17 EUR verlangen. Weitergehende Ansprüche hat er nicht.
a) Der Kläger kann von den Beklagten eine Nutzungsausfallentschädigung für weitere 35 Tage in Höhe von 1.750,00 EUR (50,00 pro Tag verlangen).
Der Berechtigte eines privat genutzten Kraftfahrzeugs hat einen gewohnheitsrechtlichen Anspruch auf Ersatz für die entgangene Nutzungsmöglichkeit, wenn er keinen Ersatzwagen anmietet und über einen Nutzungswillen wie auch eine hypothetische Nutzungsmöglichkeit verfügt (Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Aufl. 2021, § 249 Rn 40 ff.). Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Kläger wollte das Fahrzeug für seinen Arbeitsweg nutzen und hätte es ohne den Unfall auch nutzen können. Eine Nutzungsausfallentschädigung von 50,00 EUR pro Tag ist ortsüblich und angemessen, was auch die Parteien übereinstimmend annehmen.
Der Ersatzanspruch des Klägers ist auch nicht aufgrund eines Verstoßes gegen dessen Schadensminderungsobliegenheit nach § 254 Abs. 1 BGB ausgeschlossen oder gemindert. Nach dieser Norm hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist, wenn bei der Schadensentstehung ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt hat. Der Anspruchsverpflichtete trägt die Beweislast dafür, dass den Anspruchsberechtigten ein Verschulden trifft und dieses für den Schaden (mit-)ursächli...