[…] II. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist nach § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 OWiG statthaft, da durch das Urteil von der Verhängung des im Bußgeldbescheid vorgesehenen Fahrverbots unter Erhöhung Geldbuße abgesehen wurde. Sie wurde auch form- und fristgerecht erhoben. Die Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch erweist sich ebenfalls als zulässig, da das Urteil jedenfalls noch ausreichende tatsächliche Feststellungen enthält, um den Schuldspruch zu tragen. Auch wurde durch die Beschränkung auf die gesamte Rechtsfolgenentscheidung beachtet, dass wegen der Wechselwirkung von Bußgeld und Fahrverbot die Nichtverhängung des Fahrverbots nicht isoliert zum Gegenstand der Rechtsbeschwerde gemacht werden kann (vgl. Senat, Beschl. v. 10.11.2004 – 1 Ss 94/04, NZV 2005, 54).
2. Die Sachrüge ist auch begründet.
Dass das Amtsgericht für den fahrlässigen Rotlichtverstoß das nach Anlage BKatVO Nr. 132.3 vorgesehene Regelbußgeld unter dem Wegfall des Fahrverbotes angemessen erhöht hat, wäre nach der Vorschrift des § 4 Abs. 4 BKatV bei einem ausnahmsweisen Absehen von der Anordnung eines Fahrverbots zwar grundsätzlich nicht zu beanstanden. Jedoch tragen die Gründe den Wegfall des vorgesehenen Regelfahrverbots von einem Monat hier unter Annahme eines Augenblickversagens nicht. Das Amtsgericht führte insoweit aus, dass Lichtzeichenanlage Kesslerstraße aus zahlreichen Parallelverfahren gerichtsbekannt für die betroffenen Pkw-Fahrer höchst unübersichtlich sei. Dies sei der Fall, weil an dieser Stelle zwei Lichtzeichenanlagen in sehr kurzem Abstand aufeinander folgen. Die erste Lichtzeichenanlage werde oft übersehen, weil sich die Fahrzeugführer auf die zweite Anlage konzentrieren würden. Dort komme es dann extrem überdurchschnittlich zu Rotlichtverstößen mit ungewöhnlich lang andauernden Rotphasen. Zu dem konkreten Geschehen am 6.8.2020 führt das Amtsgericht lediglich aus, dass die Betroffene ortsfremd sei, die Lichtzeichenanlage mithin nicht gekannt habe, weshalb von einem Augenblickversagen auszugehen gewesen sei. Unter Berücksichtigung dieser Umstände erachte das Gericht die Festsetzung eines Fahrverbots nicht für angezeigt und die Festsetzung einer erhöhten Geldbuße von 300 EUR für angemessen.
Das Amtsgericht geht hierbei im Ansatz zutreffend davon aus, dass in Fällen des Augenblickversagens trotz des im BKatV beschriebenen Regelfalls, der die Annahme einer groben Pflichtverletzung i.S.d. § 25 Abs. 1 StVG rechtfertigt, es an einer ausreichenden individuellen Vorwerfbarkeit fehlt. Ein Fahrverbot ist nämlich nur dann veranlasst, wenn der Verstoß auch subjektiv auf besonders grobem Leichtsinn, Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit beruht und einen so hohen Grad an Verantwortungslosigkeit aufweist, dass es zur Einwirkung auf den Betroffenen grundsätzlich eines ausdrücklichen Denkzettels durch ein Fahrverbot bedarf (Senat, Beschl. v. 10.10.2006 – 1 Ss 69/06, BeckRS 2006, 13398 m.w.N.).
Die dargelegten Feststellungen des Amtsgerichts tragen diese Annahme indes nicht. Allein der Umstand, dass auch andere Verkehrsteilnehmer, die einen vergleichbaren Rotlichtverstoß begingen, ähnliches geltend gemacht haben, rechtfertigt für sich genommen nicht die Annahme, es liege nur eine mindere Nachlässigkeit vor. Insoweit wären Feststellungen zur Verkehrssituation zu treffen, die das von der Betroffenen geschilderte Übersehen der Lichtzeichenanlage an der Kreuzung Kesslerstraße als Fehler erscheinen lassen, der an dieser Stelle jedem sorgfältigen und gewissenhaften Fahrer unterlaufen könnte. Indes hat sich die Betroffene nach den Urteilsfeststellungen hierzu überhaupt nicht dahingehend eingelassen. Vielmehr unterstellt das Amtsgericht aus anderweitigen Parallelverfahren eine für die Betroffene günstige Einlassung.
Schließlich hat die Generalstaatsanwaltschaft in Ihrer Antragsschrift vom 15.7.2021 zutreffend darauf hingewiesen, dass das Amtsgericht ein nicht unwesentliches Indiz für die Frage eines Augenblickversagens nicht erörtert hat. Ausweislich der nach dem Hauptverhandlungsprotokoll in Augenschein genommenen Lichtbilder (AS. 11-13) ist deutlich erkennbar, dass auf der parallel verlaufenden linken Fahrspur bereits ein Pkw aufgrund der länger andauernde Rotphase an der Haltelinie stand, als die Betroffene auf der rechten Fahrspur die Haltelinie ohne anzuhalten mit ihrem Fahrzeug überquerte.
Soweit in einem früheren Verfahren vor dem Senat zu eben dieser Kreuzung festgestellt worden war, es handele sich um eine größere mit einem Haltestreifen auf der Fahrbahn markierte und ohne weiteres erkennbare Kreuzung mit drei Fahrspuren, an welcher Ampeln rechts und links der Fahrbahn aufgestellt sind (Senat, Beschl. v. 10.10.2006 – 1 Ss 69/06, BeckRS 2006, 13398) spräche dies gegen eine solche Annahme, wobei der Senat als Rechtsbeschwerdegericht jedoch nicht beurteilen kann, ob dies (noch immer und vollständig) den örtlichen Verhältnissen entspricht. Insoweit bleibt die Feststellung der Verhältnisse an dieser Kreuzu...