II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Anspruchs des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG.
1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass das Landgericht die Klage nicht an der Aktivlegitimation habe scheitern lassen dürfen, ohne die hierzu angebotenen Beweise zu erheben. Dennoch sei die Berufung unbegründet. Der Kläger habe nicht bewiesen, dass der Be- klagte zu 2 die Fahrspur gewechselt oder nach rechts von dieser abgekommen sei. Für diese Behauptung spreche neben seiner Darstellung lediglich die Aussage des Zeugen K. An der Richtigkeit dieser Aussage verblieben allerdings insbesondere vor dem Hintergrund der Aussage der Zeugin Be. zu viele Zweifel, als dass allein daraus eine richterliche Überzeugung gewonnen werden könne. Nach allgemeiner Lebenserfahrung sei es wahrscheinlicher, dass derjenige, der sich auf der Beschleunigungsspur befinde, einen Fahrbahnwechsel vornehme, als dass derjenige, der auf der Autobahn fahre, auf die Beschleunigungsspur gerate. Dies reiche zwar für die Annahme eines Anscheinsbeweises nicht aus, sei aber bei der Bewertung einer Zeugenaussage zu berücksichtigen.
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Erfolg, dass das Berufungsgericht die erstinstanzlich vernommenen Zeugen nicht erneut zum Unfallhergang vernommen und dadurch den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hat.
a) Gemäß § 398 Abs. 1 ZPO steht die wiederholte Vernehmung eines Zeugen im Ermessen des Berufungsgerichts. Diesem Ermessen sind aber Grenzen gesetzt. So muss das Berufungsgericht einen bereits in erster Instanz vernommenen Zeugen nochmals gemäß § 398 Abs. 1 ZPO vernehmen, wenn es dessen Aussage anders würdigen will als die Vorinstanz. Die nochmalige Vernehmung eines Zeugen kann allenfalls dann unterbleiben, wenn sich das Rechtsmittelgericht auf solche Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit oder Widerspruchsfreiheit der Aussage betreffen (Senatsurteile vom 23.6.2020 – VI ZR 435/19, MDR 2020, 999 Rn 18; vom 10.3.1998 – VI ZR 30/97, NJW 1998, 2222, 2223, juris Rn 12; Senatsbeschluss vom 25.7.2017 – VI ZR 103/17, VersR 2018, 249 Rn 9 m.w.N.). Trägt das Berufungsgericht dem nicht Rechnung, liegt darin ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG (Senatsbeschluss vom 25.7.2017 – VI ZR 103/17, VersR 2018, 249 Rn 9; BGH, Beschlüsse vom Juli 2020 – II ZR 20/20, juris Rn 11; vom 17.9.2013 – XI ZR 394/12, NZG 2013, 1436 Rn 10; BVerfG, NJW 2011, 49 Rn 11 ff.).
Entsprechendes gilt, wenn die erste Instanz von der Würdigung der Aus- sagen der von ihr vernommenen Zeugen und der Erörterung der Glaubwürdigkeit der Zeugen ganz abgesehen hat (vgl. Senatsurteil vom 7.7.1981 – VI ZR 48/80, NJW 1982, 108, 109, juris Rn 7-10; BGH, Urt. v. 16.12.1999 – III ZR 295/98, NJW-RR 2000, 432, 433, juris Rn 23 m.w.N.). In der Berufungsinstanz kann ein angetretener Zeugenbeweis durch die Verwertung der Niederschrift der erstinstanzlichen Zeugenvernehmung nur ersetzt werden, wenn der persönliche Eindruck, den der Zeuge bei seiner Vernehmung hinterließ oder bei einer erneuten Vernehmung hinterlassen würde, für die Würdigung seiner Aussage nicht entscheidend ist (vgl. Senatsurteil vom 13.12.2005 – VI ZR 68/04, VersR 2006, 369 Rn 28; BGH, Urt. v. 23.11.2017 – I ZR 51/16, VersR 2018, 1279 Rn 29). Anderenfalls hat eine Wiederholung der Beweisaufnahme zu erfolgen.
b) So liegt der Fall hier: Für die Frage, ob, wie das Berufungsgericht meint, Zweifel an der Aussage des Zeugen K. bestehen, der den Unfall unmittelbar miterlebt hat, kommt es maßgeblich auf seine Glaubwürdigkeit sowie auf die Glaubwürdigkeit der Zeugin Be. an, deren Aussage mit den Angaben des Zeugen K. nicht in Einklang zu bringen ist. Das Landgericht hatte hierzu eine Gegenüberstellung beider Zeugen veranlasst, deren Aussagen und die Glaubwürdigkeit der Zeugen dann aber nicht gewürdigt, weil es aus seiner Sicht auf den Unfallhergang nicht ankam. Das Berufungsgericht hat "insbesondere" vor dem Hintergrund der Aussage der Zeugin Be. an der Richtigkeit der Aussage des Zeugen K. gezweifelt und die Zurückweisung der Berufung hierauf gestützt, ohne sich, wie erforderlich, einen persönlichen Eindruck von beiden Zeugen zu verschaffen.
3. Für die neue Verhandlung wird weiter zu berücksichtigen sein, dass die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts die Zurückweisung der Berufung nicht tragen. Denn ohne die Feststellung eines Vorfahrtsverstoßes des Klägers lässt sich eine vollständige Klageabweisung nicht begründen.
zfs 11/2021, S. 627 - 628