Unabdingbare Voraussetzung für jede Bezifferung eines Personenschadens ist die beweiskräftige Feststellung, welche unfallbedingten Verletzungen der Geschädigte im Einzelnen davongetragen hat, und ob gegebenenfalls eine Besserung des festgestellten Zustandes zu erwarten oder möglicherweise nicht zu erwarten ist und von welchen unfallbedingten Einschränkungen aktuell, im Zeitraum vom Unfall bis zur Begutachtung und schließlich in der Zukunft zu erwarten sind. Diese Feststellungen sind nicht nur bedeutsam für die Höhe eines Schmerzensgeldanspruchs, sondern insbesondere auch für die Frage, ob und gegebenenfalls wie lange eine Einschränkung in der Erwerbsfähigkeit besteht. Dies korrespondiert mit der Frage, ob vermehrte Bedürfnisse bestehen und in welchem Umfang unfallbedingte Einschränkungen einer Kompensation bedürfen im Rahmen eines zuzuerkennenden Haushaltsführungsschadens. All diese Fragestellungen betreffen den "unfallbedingten" Zustand einer Person im Sinne von § 485 Abs. 2 Satz 1 1. Alt. ZPO. Bei Unfallschwerverletzten ist es nach Auffassung des Autors zwingend, frühzeitig zu einer beweiskräftigen Feststellung zu gelangen, was nur durch den Einsatz des gerichtlichen selbstständigen Beweisverfahrens möglich ist. In der Praxis erfolgt häufig eine Verständigung auf einen bestimmten Gutachter, der dann eine umfangreiche Begutachtung des Anspruchstellers vornehmen soll. Diese Vorgehensweise hat aber einen entscheidenden Nachteil, weil keinerlei Bindungswirkung eintritt. Ist der Versicherer mit dem Ergebnis des Gutachtens nicht einverstanden, so kann er hiervon ohne Weiteres abrücken, so dass gerade keine Bindungswirkung herbeigeführt wird. Wenn schon einvernehmlich ein Sachverständiger bestimmt wird, so sollte gleichwohl die Beauftragung dieses Sachverständigen dann über das Gericht durch ein selbstständiges Beweisverfahren erfolgen, weil nur insoweit Doppelbegutachtungen vermieden werden können. Die Praxis des Autors belegt weitergehend, dass im Prozess vorgelegten Arztberichten mehr oder weniger jedweder Beweiswert abgesprochen wird. Von daher soll als Beispiel ein selbstständiges Beweisverfahren des LG Köln[21] als Muster eines selbstständigen Beweisverfahrens bei schwerem Verkehrsunfall herangezogen werden:

Zitat

Es soll Beweis über folgende Behauptungen erhoben werden:

Welche unfallbedingten Verletzungen hat der Antragsteller infolge des am 29.9.2019 in 56411 Montabaur … stattgefundenen Unfalls erlitten? Hat der Anspruchsteller insbesondere einen Zustand nach Polytrauma mit

komplexer distaler offener Unterarmfraktur links
undislozierte Fibulafraktur rechts mit posttraumatischer Fußheberparese
Hodenluxation in den Leistenkanal links
diskreter Pneumothorax rechts
Lungenkontusion rechts
komplexer Kniebinnenschaden rechts, Kniegelenk mit VKB- und HKB-Teilruptur und knöchernem LCA-Ausriss
Kontusion Nervus peroneus rechts
erlitten?
Hat sich darüber hinaus bei der distalen Radiusfraktur eine schwere posttraumatische Radiokarpalarthrose eingestellt?
Sind die festgestellten Verletzungen allesamt unfalldingt?
In welchem Umfang haben die unter Ziffer 1. näher bezeichneten Verletzungen zu einer Arbeitsunfähigkeit geführt? Führen die unter Ziffer 1. festgestellten Verletzungen zu einer dauerhaften Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit? Wenn ja: In welchem Umfang und für welche Dauer?
Hat der Antragssteller über die vorstehend festgestellten Verletzungen bei dem in Rede stehenden Schadenfall weitere Verletzungen erlitten?
In welchen Zeiträumen und in welchem Umfang (in %) stand bzw. besteht eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE)?
Welche unfallbedingten Verletzungen sind aktuell noch feststellbar?
Lassen sich die geklagten Beschwerden anhand der festgestellten Untersuchungsergebnisse objektivieren?
Welche unfallbedingten Gesundheitsbeeinträchtigungen werden nach Art und Umfang voraussichtlich auf Dauer verbleiben? Beeinträchtigten diese die Erwerbsfähigkeit? Es wird um eine prozentuale Einschätzung, ggf. nach Zeitabschnitten gebeten. Bei der Bemessung ist auszugehen von der beruflichen Tätigkeit des Antragstellers als Geschäftsführer eines Getränkehandels mit Heben und Tragen von schweren Lasten.
Sind weitere Heilmaßnahmen zur Besserung der Unfallfolgen angezeigt, ggf. welche?
Können weitergehende Schäden bzw. Verschlechterungen des status quo ausgeschlossen werden? Kann ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller eine der folgenden Komplikationen bzw. Spätfolgen oder eine andere Komplikation oder Spätfolge erleiden wird: Arthrose, Pseudo-Arthrose, Infektion, Lähmung, Nekrose, Morbus Sudeck, Instabilität, Kräfteverlust, Refraktur, Bewegungseinschränkung, Versteifung, Implantat-Lockerung, Thrombose, Embolie, Potenzstörung oder Störung der Fertilität, erneute Operation, Nervenschädigung, Aufleben oder Verstärkung einer Bewegungs- und Belastungseinschränkung?

Durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Zum Sachverständigen wird Prof. Dr. … bestellt.

Das vorbezeic...

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