Der in der Unfallabwicklung tätige Rechtsanwalt sieht sich häufig konfrontiert mit der "Kfz-Unfallversicherung" bzw. mit der allgemeinen Unfallversicherung. Beiden Versicherungssparten ist gemein, dass neben Krankenhaustagegeldern und ähnlichem insbesondere im Falle der Invalidität versicherungsvertragsrechtliche Leistungen zugesagt werden. Die Feststellung des Grades sowie des Umfanges der Invalidität erfolgt regelmäßig anhand der Gliedertaxe durch Einschaltung eines vom Versicherer beauftragten Sachverständigen. Hier steht der Rechtsanwalt in der Beratungspraxis oftmals vor der Frage, ob die zum Grund und zum Umfang der bestehenden Beeinträchtigungen getroffenen Feststellungen "belastbar" sind. Äußern Behandler des Mandanten oder dieser selbst Zweifel an den getroffenen Feststellungen, ist auch hier das selbstständige Beweisverfahren das Mittel der Wahl. Durch die an den Sachverständigen zu stellenden Fragen kann zunächst der Zustand der Person und sodann der Aufwand für die Beseitigung eines Personenschadens erfragt werden. Dort hat das OLG Köln schon im Jahre 2005 ausgeführt:
"Der Antragssteller kann die Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens zur Feststellung seines gesundheitlichen Zustandes, der Unfallursächlichkeit und der Höhe des Schadens durch Sachverständigengutachten verlangen. Gegenstand eines selbstständigen Beweisverfahrens gemäß § 485 Abs. 2 ZPO können grundsätzlich auch Tatsachenfeststellungen zur Vorbereitung von Ansprüchen aus einer privaten Unfallversicherung sein. Voraussetzung ist lediglich ein rechtliches Interesse des Antragstellers an den zu treffenden Feststellungen. Ein solches Interesse ist nach § 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO anzunehmen, wenn die Feststellungen der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen können. (…) Dem Gericht ist es nämlich verwehrt, bereits im Rahmen eines selbstständigen Beweisverfahrens eine Schlüssigkeits- und Erheblichkeitsprüfung vorzunehmen. Ein rechtliches Interesse an der Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens kann nur dann verneint werden, wenn evident ist, dass der behauptete Anspruch keinesfalls bestehen kann. (… .). Fehl geht auch der Hinweis des Landgerichts darauf, dass der Antragsteller auf Kosten der Antragsgegnerin (§ 11 Abs. 1 AUB 88) ein Privatgutachten einholen kann, um sich in die Lage zu versetzen, substantiierte Einwände gegen die Begutachtung durch den von der Antragsgegnerin beauftragten Sachverständigen zu erheben. Unabhängig davon, ob die Antragstellerin tatsächlich gehalten wäre, die Kosten für ein solches Privatgutachten zu übernehmen, muss sich der Antragsteller nicht auf den vom Landgericht aufgezeigten Weg verweisen lassen, sondern kann sich des selbstständigen Beweisverfahrens bedienen, um die zur Geltendmachung des Invaliditätsanspruchs notwendigen medizinischen Feststellungen zu erhalten. Das ist entgegen der Annahme des Landgerichts auch nicht als unzulässiger Ausforschungsbeweis zu werten, denn das selbstständige Beweisverfahren soll es dem Antragsteller gerade ermöglichen. einen eingetretenen Schaden und dessen Ursache erst ermitteln zu lassen, was notwendig in gewisser Weise ausforschenden Charakter hat. (…) Wenn das Landgericht schließlich zu Unrecht die Auffassung vertreten hat, die Frage nach der Höhe des Invaliditätsgrades sei in einem selbstständigen Beweisverfahren unzulässig, so hat es sich nicht mit der Bestimmung des § 485 Abs. 2 Nr. 3 ZPO auseinandergesetzt, wonach auch der Aufwand für die Beseitigung eines Personenschadens festgestellt werden kann."
Ebenso hat das OLG Celle entschieden.
In der Praxis wird nun von den für die Versicherungen tätigen Kollegen immer wieder auf eine angebliche Unzulässigkeit des selbstständigen Beweisverfahrens hingewiesen. Dies völlig zu Unrecht, wie sich auch aus dem Beschluss des LG Köln wie folgt ergibt:
Zitat
1. Die Antragsgegnerin wird darauf hingewiesen, dass die Kammer in Übereinstimmung mit der sonstigen Rechtsprechung, insbesondere auch des OLG Köln (Beschl. v. 1.8.2005 – 5 W 92/05 –; im Übrigen auch Kloth, Private Unfallversicherung 2. Auflage 2014; U 20 ff.) die geäußerten Bedenken gegenüber der Zulässigkeit des selbstständigen Beweisverfahrens nicht teilt.
2. Im selbstständigen Beweisverfahren wird gemäß § 485 ff. ZPO die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens angeordnet.
Es soll Beweis über folgende Fragen erhoben werden:
1. Besteht bei dem Antragssteller im Hinblick auf das Schadensereignis vom 11.8.2017 eine dauerhafte Funktionsbeeinträchtigung des linken Beins?
2. Wurde diese festgestellte Funktionsbeeinträchtigung durch das Institut für medizinische Begutachtung Köln mit zutreffend 5/20 (fünf Zwanzigstell) festgestellt?
3. Wenn nein, von welcher dauerhaften Funktionsbeeinträchtigung ist auszugehen?
4. Ist die etwa vorgefundene Funktionsbeeinträchtigung ausschließlich auf das Unfallereignis vom 11.8.2017 zurückzuführen?
5. Falls nein, mit welchem Umfang ist die etwa festgestellte Funktionsbeeinträchtigung auf da...