Die Entscheidung zeigt einmal mehr die Grundsätze auf, die für den Beginn der Verjährung von entscheidender Bedeutung sind. Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (Nr. 1) und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste (Nr. 2).
Letztere Frage ist nicht so einfach zu beantworten und hat gerade in vielen Prozessen um Schadensersatz wegen der Manipulationen an Dieselmotoren eine neue Aktualität gewonnen.
Man könnte meinen, dass die Frage, ob der Geschädigte von seinem Anspruch wusste oder ohne grobe Fahrlässigkeit wissen musste, ganz dem tatrichterlichen Ermessen überlassen und daher nicht revisibel ist. Doch ganz entzogen ist die tatrichterliche Würdigung der Rechtskontrolle ja grundsätzlich nicht. Vielmehr kann das Revisionsgericht prüfen, ob der Streitstoff umfassend, widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denk- und Erfahrungssätze gewürdigt worden ist und ob der Tatrichter den Begriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurteilung des Grades der Fahrlässigkeit wesentliche Umstände außer Betracht gelassen hat (Ziff. 15).
Positive Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen hatten in den Dieselfällen nur wenige Geschädigte. Sie würde voraussetzen, dass der Geschädigte wusste, dass sein Fahrzeug vom Dieselskandal betroffen war. Aber wissen können und müssen, sagt der BGH, hätte es die Klägerin bereits 2016; denn da war klar, dass nicht nur VW, sondern auch Audi, Skoda und Seat vom sogenannten Dieselskandal betroffen waren. Und jeder potenziell Geschädigte habe seit Oktober 2015 über eine freigeschaltete Online-Plattform ohne Weiteres die Möglichkeit gehabt, die tatsächliche Betroffenheit eines Fahrzeugs leicht in Erfahrung zu bringen. Auch hätte er sich in direktem (schriftlichem oder telefonischem) Kontakt mit dem Hersteller informieren können, ob in seinem Pkw die Software verbaut war.
Es kann also auch zu den Pflichten des Anspruchsstellers gehören, selbst tätig zu werden, um dem Vorwurf grober Fahrlässigkeit zu entgehen. Der BGH legt dem Anspruchssteller zwar keine allgemeinen Informations- oder Ermittlungspflichten auf, lässt anderes aber zu, wenn konkrete Anhaltspunkte für das Bestehen eines Anspruchs ersichtlich sind, so dass der mögliche Gläubiger aus verständiger Sicht gehalten ist, die Voraussetzungen des Anspruchs aufzuklären (Ziff. 18). Dies dürfte auch für die Verjährungsfrage in anderem Kontext von Bedeutung sein.
VROLG a.D./Rechtsanwalt Dr. Hans-Joseph Scholten
zfs 11/2022, S. 614 - 619