[…] II. Die nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde des Betroffenen führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Einstellung des Verfahrens wegen des Verfahrenshindernisses der Verfolgungsverjährung nach §§ 46 Abs. 1 OWiG, 206a Abs. 1 StPO.
1. Auf die Sachrüge ist bereits v.A.w. zu prüfen, ob die Prozessvoraussetzungen vorliegen (vgl. BGHSt 21, 242). Diese ergibt, dass Verfolgungsverjährung bereits eingetreten war, als die Amtsanwaltschaft die Akten am 4.10.2022 dem Gericht nach § 69 Abs. 4 Satz 2 OWiG vorgelegt hat.
a) Ausweislich des dem Senat im Wege des Freibeweises zugänglichen Akteninhalts hat der Betroffene die verfahrensgegenständliche Handlung am 13.8.2021 begangen. Da sein Aufenthalt nicht ermittelt werden konnte, hat die Polizei am 22.10.2021 das Verfahren vorläufig eingestellt, wodurch der Lauf der dreimonatigen Verfolgungsverjährung unterbrochen wurde (§ 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 OWiG). Am 11.11.2021 hat sie die Anhörung des Betroffenen veranlasst, so dass bei Zustellung des Bußgeldbescheides vom 14.12.2021 am 6.1.2022 die dreimonatige Verjährungsfrist nach §§ 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 OWiG, 26 Abs. 3 StVG noch nicht abgelaufen war. Die durch die Zustellung bewirkte Unterbrechung hatte nach § 26 Abs. 3 StVG zugleich die Verlängerung der Frist der Verfolgungsverjährung von drei auf sechs Monate zur Folge. Diese am 5.7.2022 abgelaufene Frist ist nicht erneut unterbrochen worden.
b) Weder der Eingang der Akten beim Gericht am 17.5.2022 zwecks Entscheidung über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Betroffenen (§§ 69, 62 OWiG) noch die Rückgabe der Akten nach Erlass des Beschlusses haben zu einer weiteren Unterbrechung der Verfolgungsverjährung nach § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 10 OWiG geführt. Denn die Übersendung der Akten hat keine Aktenübersendung i.S.v. § 69 Abs. 3 OWiG dargestellt, weil die hiesige Vorlage auf anderen als den in diesen Regelungen genannten Gründen beruhte (vgl. Gürtler/Thoma in Göhler OWiG 18 Aufl., § 33 Rn 33a). Auch deren Rücksendung hat nicht der weiteren Aufklärung des Sachverhalts gedient, wie es § 69 Abs. 5 Satz 1 OWiG erfordert.
c) Die Durchführung des Verfahrens nach §§ 69, 62 OWiG hat ebenfalls zu keiner weiteren Unterbrechung der Verjährung geführt. Zwar ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass auch die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (und gleiches gilt auch für die Gewährung der Wiederaufnahme eines Verfahrens) dazu führen kann, dass mit der Entscheidung über die Wiedereinsetzung die Frist der Verfolgungsverjährung erneut zu laufen beginnt (für die Wiedereinsetzung: OLG Stuttgart MDR 1986, 608; OLG Düsseldorf MDR 1988, 794; Gürtler/Thoma a.a.O., Vor § 31 Rn 2b; Ellbogen in KK OWiG 5. Aufl., § 31 Rn 37 – auch für die Anordnung der Wiederaufnahme des Verfahrens). Das setzt aber jeweils voraus, dass der Bußgeldbescheid bereits vor der Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und vor Eintritt der Verfolgungsverjährung tatsächlich in (Voll-)Rechtskraft erwachsen war (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 9.4.2019 – 1 Rb 7 Ss 39/19).
Es bedarf keiner Entscheidung, ob die hiesige Fallkonstellation der Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder der Anordnung der Wiederaufnahme des Verfahrens gleichsteht, weil jedenfalls der Bußgeldbescheid vor Eintritt der Verfolgungsverjährung am 5.7.2022 nicht in Rechtskraft erwachsen war. Der Betroffene hat mit dem Schreiben vom 7.1.2022 innerhalb der 14-tägigen Frist Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt. Infolgedessen war auch nach Auffassung der Polizei der Bußgeldbescheid nicht rechtskräftig geworden. Die Verwerfung des Einspruchs der Verteidigerin durch die Polizei am 26.4.2022 gegen den Bußgeldbescheid als unzulässig hat ebenfalls nicht zur Rechtskraft geführt, weil die Verteidigerin am 5.5.2022 und damit fristgerecht einen Antrag auf gerichtlichen Entscheidung nach § 62 OWiG gestellt hat.
Wegen der bereits am 5.7.2022 eingetretenen Verfolgungsverjährung ist offensichtlich, dass auch die Entscheidung des Gerichts über diesen Antrag am 25.7.2022 zu keiner weiteren Unterbrechung führen konnte.
d) Selbst wenn das Gericht vor Ablauf des 5.7.2022 entschieden hätte, hätte dies zu keiner anderen Betrachtung geführt. Mit dem Beschluss hat das Gericht den Bescheid der Polizei in der Rechtsfolge aufgehoben; lediglich der Schuldspruch ist in Rechtskraft erwachsen. Denn nach den Ausführungen des Gerichts hat es das Schreiben des Betroffenen vom 7.1.2022 als ein auf die Rechtsfolge beschränkten Einspruch ausgelegt. Die damit eingetretene sog. horizontale Rechtskraft hat nicht die Rechtswirkung einer Vollrechtskraft und steht der Berücksichtigung von Verfahrenshindernissen nicht entgegen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.2.1999 – 2 Ss (OWi) 14/99 – (OWi) 4/99 II).
2. Da die Tat bereits vor Erlass des angefochtenen Urteils verjährt war, lag ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis im erstinstanzlichen Verfahren vor. Der Senat hebt daher das angefoch...