FeV § 31 Abs. 1 S. 1, Abs. 1a, Anlage 11
Leitsatz
§ 31 Abs. 1a FeV bestimmt, dass die Fahrerlaubnisbehörde eine Fahrerlaubnisprüfung anordnet, wenn Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Bewerber die nach § 16 Abs. 1 und § 17 Abs. 1 FeV erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht mehr besitzt. Dies ist nach der amtlichen Begründung der Vorschrift (BR-Drucks 600/18, S. 23 f.) dann der Fall, wenn der Fahrerlaubnisinhaber viele Jahre oder gar Jahrzehnte nach Wohnsitznahme in Deutschland die Erteilung einer deutschen Fahrerlaubnis im Wege der Umschreibung beantragt. Aus Gründen der Sicherheit des Verkehrs ist es sachlich geradezu geboten, danach zu differenzieren, wie lange der erstmalige Nachweis der klassenspezifischen Befähigung schon zurückliegt, wie lange – und ob regelmäßig oder nur sporadisch – der Betroffene von dieser Fahrerlaubnis Gebrauch gemacht hat und wie lange eine danach möglicherweise liegende Phase mangelnder Fahrpraxis angedauert hat (vgl. auch BayVGH, Beschl. v. 23.8.2023 – 11 C 23.1056, juris Rn 15). (Leitsatz der Schriftleitung)
BayVGH, Beschl. v. 15.9.2023 – 11 BV 23.937
1 Sachverhalt
Der Kl. begehrt die prüfungsfreie Umschreibung seiner kosovarischen in eine deutsche Fahrerlaubnis.
2 Aus den Gründen:
“… Die Berufung des Kl. ist unbegründet. Der Kl. hat keinen Anspruch auf Erteilung einer deutschen Fahrerlaubnis im Wege der “Umschreibung‘ (zur Terminologie vgl. BVerwG, Urt. v. 22.9.2022 – 3 C 10.21, NJW 2023, 1754 Rn 13; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Auflage 2023, § 31 FeV Rn 5 sowie BR-Drucks 858/21, S. 66 und 74) ohne vorherige Durchführung der Befähigungsprüfung. Das VG [VG München, Urt. v. 26.4.2023 – M 6 K 22.4764] hat die Klageabweisung zutreffend auf die fehlende Fahrpraxis des Kl. seit dessen Wohnsitznahme in Deutschland am 2.2.2006 gestützt.
§ 31 FeV v. 13.12.2010 (BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung v. 20.7.2023 (BGBl 2023 I Nr. 199), regelt die Erteilung einer deutschen Fahrerlaubnis an Inhaber einer Fahrerlaubnis aus einem Staat außerhalb des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum unter erleichterten Bedingungen. Beantragt der Inhaber einer Fahrerlaubnis, die in einem in Anlage 11 zur FeV (Staatenliste zu den Sonderbestimmungen für Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis) aufgeführten Staat und in einer in dieser Anlage aufgeführten Klasse erteilt worden ist und die zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigt oder dazu berechtigt hat, die Erteilung einer Fahrerlaubnis für die entsprechende Klasse von Kraftfahrzeugen, ist er nach Maßgabe von § 31 Abs. 1 S. 1 FeV von der ärztlichen Untersuchung, der Untersuchung des Sehvermögens, dem Sehtest, der Befähigungsprüfung, der Schulung in Erster Hilfe und der Ausbildung befreit. Zu den in Anlage 11 zur FeV aufgeführten Staaten zählt seit Inkrafttreten der Fünfzehnten Verordnung zur Änderung der FeV und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 18.3.2022 (BGBl I S. 498) am 1.6.2022 auch die Republik Kosovo. Allerdings bestimmt § 31 Abs. 1a FeV, dass die Fahrerlaubnisbehörde eine Fahrerlaubnisprüfung anordnet, wenn Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Bewerber die nach § 16 Abs. 1 und § 17 Abs. 1 FeV erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht mehr besitzt. Dies ist nach der amtlichen Begründung der Vorschrift (BR-Drucks 600/18, S. 23 f.) dann der Fall, wenn der Fahrerlaubnisinhaber viele Jahre oder gar Jahrzehnte nach Wohnsitznahme in Deutschland die Erteilung einer deutschen Fahrerlaubnis im Wege der Umschreibung beantragt (Dauer in Hentschel/König/Dauer, § 31 FeV Rn 18).
Unabhängig davon, ob hier ein Wohnsitzverstoß im Zusammenhang mit der Ausstellung des kosovarischen Führerscheins am 15.7.2011 vorliegt, steht einer Umschreibung der kosovarischen in eine deutsche Fahrerlaubnis ohne erneute Befähigungsprüfung der Umstand entgegen, dass der Kl. seit seiner Wohnsitznahme in Deutschland im Jahr 2006 keine ausreichende Fahrpraxis nachweisen kann. Für die mit § 31 Abs. 1a FeV wortgleiche Regelung des § 20 Abs. 2 FeV bei Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung oder nach vorangegangenem Verzicht, wonach die Fahrerlaubnisbehörde eine Fahrerlaubnisprüfung anordnet, wenn Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Bewerber die nach § 16 Abs. 1 und § 17 Abs. 1 FeV erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht mehr besitzt, genügt es nach ständiger Rechtsprechung, wenn aufgrund der vorliegenden Tatsachen gewichtige Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, dass dem Bewerber die erforderliche Befähigung fehlen könnte (vgl. zuletzt BayVGH, Beschl. v. 13.4.2023 – 11 ZB 23.498 – juris Rn 12; Beschl. v. 23.8.2023 – 11 C 23.1065, juris Rn 14 m.w.N.). Mit Tatsachen in diesem Sinne ist das Gesamtbild aller relevanten Tatsachen gemeint. Die Beurteilung ist folglich aufgrund einer umfassenden Würdigung des jeweiligen Einzelfalls vorzunehmen, bei der sowohl die für als auch die gegen die Erfüllung der betreffenden Erteilungsvoraussetzung spre...