[7] Das BG hat der nicht ordnungsgemäß über ihr Widerspruchsrecht belehrten Kl. einen bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB zu Recht versagt.
[8] 1. Eine rechtsmissbräuchliche Ausübung des Widerspruchsrechts hat das BG ohne Rechtsfehler deshalb bejaht, weil die Kl. zeitgleich mit dem Versicherungsantrag alle Rechte aus der Lebensversicherung als Sicherheit für ein Baufinanzierungsdarlehen an die Bank abgetreten und der Bekl. die Abtretungserklärung übersandt hatte.
[9] a) Nach der Rspr des Senats kann der VR bei einer nicht ordnungsgemäßen Belehrung zwar grundsätzlich kein schutzwürdiges Vertrauen für sich in Anspruch nehmen, weil er die Situation selbst herbeigeführt hat (vgl. Senat r+s 2018, 647 Rn 23 m.w.N.). Aber auch bei einer fehlenden oder fehlerhaften Widerspruchsbelehrung kann die Geltendmachung des Widerspruchsrechts ausnahmsweise Treu und Glauben widersprechen und damit unzulässig sein, wenn besonders gravierende Umstände des Einzelfalles vorliegen, die vom Tatrichter festzustellen sind (Senat VersR 2023, 631 Rn 21 m.w.N. …). Dementsprechend hat der Senat bereits tatrichterliche Entscheidungen gebilligt, die in Ausnahmefällen mit Rücksicht auf besonders gravierende Umstände des Einzelfalles auch dem nicht oder nicht ordnungsgemäß belehrten VN die Geltendmachung eines Bereicherungsanspruchs nach § 242 BGB verwehrt haben (…).
[10] Allgemein gültige Maßstäbe dazu, ob und unter welchen Voraussetzungen eine fehlerhafte Belehrung der Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung des Widerspruchsrechts entgegensteht, können nicht aufgestellt werden. Vielmehr obliegt die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben im Einzelfall dem Tatrichter. Auch in Fällen eines fortbestehenden Widerspruchsrechts kann die Bewertung des Tatrichters in der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüft werden, ob sie auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder von einem falschen Wertungsmaßstab ausgeht (Senat VersR 2021, 1479 Rn 17 m.w.N.).
[11] b) Die Annahme besonders gravierender Umstände billigt der Senat nur in wenigen Konstellationen, etwa bei der Sicherungsabtretung einschließlich der Todesfallleistung in engem Zusammenhang mit dem Abschluss eines Darlehensvertrages (vgl. Senat r+s 2016, 230 Rn 16). Allein der einmalige Einsatz der Lebensversicherung als Kreditsicherungsmittel ist jedoch in der Regel nicht als besonders gravierender Umstand zu werten, der dem VN die Geltendmachung seines Anspruchs verwehrt.
Der Einsatz der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag zur Sicherung der Rechte eines Dritten aus einem Darlehensvertrag lässt keinen zwingenden Schluss darauf zu, dass der VN in Kenntnis seines Lösungsrechtes vom Vertrag an diesem festgehalten und von seinem Recht keinen Gebrauch gemacht hätte. Hingegen kann ein schutzwürdiges Vertrauen des VR auf den Bestand des Versicherungsvertrages etwa bei einem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Abschluss des Versicherungsvertrages und dessen Einsatz zur Kreditsicherung oder bei einer mehrfachen Abtretung angenommen werden (Senat VersR 2023, 631 Rn 22 m.w.N.).
[12] c) Unter Beachtung dieser Maßstäbe hat das BG rechtsfehlerfrei angenommen, dass ein Bereicherungsanspruch der Kl. wegen eines unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Abschluss des Versicherungsvertrages und dessen Einsatz zur Sicherung des Baufinanzierungsdarlehens nach Treu und Glauben ausgeschlossen ist. Nach den tatrichterlichen Feststellungen übersandte die Kl. der Bekl. zeitgleich mit dem Versicherungsantrag eine Abtretungserklärung, aus der sich ergab, dass das Baufinanzierungsdarlehen aus der beantragten Lebensversicherung zurückgezahlt werden solle und deshalb alle gegenwärtigen und künftigen Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag an die Bank abgetreten würden. Dass die Kl. – anders als sie noch im Berufungsverfahren behauptet hatte – nicht die bloße Absicht einer Abtretung anzeigte, sondern der Bekl. die gegenüber der Bank erklärte Abtretung übermittelte und die Abtretungsvereinbarung tatsächlich zustande kam, hat das BG ebenfalls festgestellt. Dies greift die Revision – zu Recht – nicht an. Die Abtretung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag umfasste auch die Todesfallleistung; dies setzt zwingend das Bestehen eines wirksamen Vertrages voraus (vgl. Senat r+s 2016, 230 Rn 16). Der enge zeitliche Zusammenhang zwischen dem Abschluss des Versicherungsvertrages und dessen Einsatz zur Kreditsicherung durfte bei der Bekl. für die Kl. erkennbar ein schutzwürdiges Vertrauen auf den unbedingten Bestand des Vertrages begründen, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat. Dass die Bekl. auf die Wirksamkeit des Versicherungsvertrages tatsächlich vertraute und entsprechende Vermögensdispositionen traf, hat das BG rechtsfehlerfrei daraus abgeleitet, das...