StVG § 7 § 17; HaftPflG § 13; StVO § 2 Abs. 3 § 12 Abs. 4 S 5; BGB § 249 Abs. 2; VVG § 86 Abs. 1
Leitsatz
1. Zur Haftungsverteilung beim Zusammenstoß einer Schienenbahn mit einem LKW-Gespann.
2. Die Ersatzfähigkeit von Vorhaltekosten setzt voraus, dass dem Geschädigten entsprechende Kosten für die Reservehaltung von gewerblich genutzten Fahrzeugen tatsächlich entstanden sind. Daran fehlt es von vorneherein, wenn der Geschädigte geltend macht, er habe den Leasingvertrag für ein anderes Fahrzeug so lange verlängern müssen, bis ein – bereits vor dem Unfall bestelltes – Fahrzeug, durch das das unfallbeschädigte Fahrzeug habe ersetzt werden sollen, zur Verfügung gestanden habe.
OLG Saarbrücken, Urt. v. 28.7.2023 – 3 U 10/23
1 Sachverhalt
[1] I. Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall am 8.11.2017 in Saarbrücken.
[2] Der Drittwiderbeklagte zu 2 befuhr mit einem von der Klägerin gehaltenen und von dieser geleasten Lkw samt Anhänger die Lebacher Straße in Richtung Innenstadt. Bei dem Versuch, mit dem LKW-Gespann an einem am rechten Fahrbahnrand zum Entladen abgestellten Lkw vorbeizufahren, fuhr er mit den Rädern der Fahrerseite auf die in der Fahrbahnmitte erhöht verlaufende Trasse der Saarbahn. Dort kam das LKW-Gespann zum Stehen, weil die Vorbeifahrt an dem anderen Lkw durch im Bereich der Einmündung Schillstraße am – aus Sicht des Drittwiderbeklagten zu 2 – rechten Rand der Saarbahntrasse aufgestellte Poller verhindert wurde. Ein ebenfalls in Richtung Innenstadt fahrender Saarbahnzug der Beklagten, der von dem Drittwider-Widerbeklagten zu 2 (im Folgenden der Einfachheit halber Beklagter zu 2) gefahren wurde, stieß sodann gegen die hintere linke Ecke des Lkw, die im Kollisionszeitpunkt in den Fahrraum der Bahn hineinragte. Bei dem Unfall wurden neben dem Lkw der Klägerin und dem Saarbahnzug noch weitere Fahrzeuge sowie Verkehrseinrichtungen beschädigt, außerdem wurden mehrere Personen verletzt.
[3] Die Klägerin, die den Fahrzeugschaden über ihren Kaskoversicherer, die Drittwiderbeklagte zu 3, regulierte, hat von der Beklagten Schadensersatz gefordert, der sich wie folgt zusammensetzt:
[4]
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Abschleppkosten Lkw: |
930,00 Euro |
Kasko-Selbstbehalt: |
1.000,00 Euro |
Kostenpauschale: |
25,00 Euro |
Lohnfortzahlung für Drittwiderbeklagte zu 2: |
1.833,33 Euro |
Leasingrate 8.–30.11.2017: |
1.330,34 Euro |
Versicherungsbeiträge für 22 Tage: |
194,09 Euro |
Mehrkosten infolge der Verlängerung des Leasingvertrags für ein anderes Fahrzeug: |
2.448,68 Euro |
[5] Die Klägerin und die Drittwiderbeklagten haben behauptet, der Drittwiderbeklagte zu 2 habe erst festgestellt, dass eine Weiterfahrt wegen der Poller nicht möglich sei, als er sich mit seinem Gespann schon neben dem anderen Lkw befunden habe. Er habe daher abwarten müssen, bis dessen Fahrer mit dem Entladen fertig gewesen und losgefahren sei. Der andere Lkw habe sodann direkt wieder angehalten, weil die Ampel an der Einmündung Schillstraße Rotlicht gezeigt habe. Zu diesem Zeitpunkt habe der Drittwiderbeklagte zu 2 weder vorwärts noch – aufgrund des hinter ihm entstandenen Rückstaus – rückwärts fahren können.
[6] Die Beklagten haben vorgetragen, der Beklagte zu 2 habe, als er die Gefahrensituation erkannt habe, unverzüglich eine Gefahrenbremsung eingeleitet, die Kollision aber nicht mehr verhindern können.
[7] Mit der Widerklage hat die Beklagte von der Klägerin und den Drittwiderbeklagten Schadensersatz wegen von ihr ausgeglichener Drittansprüche verlangt. Im Einzelnen:
[8]
Kosten für beschädigten Laternenmast: |
7.027,72 Euro |
Kosten Feuerwehreinsatz: |
1.043,00 Euro |
Schäden an unfallbeteiligtem Pkw BMW: |
4.354,10 Euro |
Zahlung an AOK für verletzten Fahrgast: |
80,33 Euro |
Schmerzensgeldzahlung: |
528,54 Euro |
[9] Die Drittwiderbeklagte zu 3 hat im Rahmen der Wider-Widerklage aus übergegangenem Recht (§ 86 Abs. 1 VVG) folgenden Schadensersatzanspruch gegenüber den Beklagten geltend gemacht:
[10] Kaskoschaden der Klägerin
[11]
(Wiederbeschaffungswert abzgl. Restwert u. Selbstbehalt): |
28.900,00 Euro |
Kosten für beschädigte Verkehrsschilder: |
164,29 Euro |
Akteneinsichtskosten: |
12,00 Euro |
Schäden an unfallbeteiligtem Pkw Opel: |
1.495,00 Euro |
[12] Die Parteien gehen bei ihren Forderungsberechnungen jeweils von einer Alleinhaftung des Unfallgegners aus.
[13] Das Landgericht (Saarbrücken, Urt. v. 22.4.2022 – 5 O 155/18) hat – bei Annahme einer Mithaftung der Klägerseite im Umfang von 2/3 – die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 3.809,12 EUR sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 453,86 EUR, jeweils nebst Zinsen, zu zahlen. Auf die Widerklage hat es die Klägerin und die Drittwiderbeklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 8.689,13 EUR nebst Zinsen an die Beklagte verurteilt und auf die Wider-Widerklage die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 8.903,76 EUR nebst Zinsen an die Drittwiderbeklagte zu 3. Im Übrigen hat es die Klage und die Widerklagen abgewiesen. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ergänzend Bezug genommen.
[14]...