Das OLG Stuttgart orientiert sich hinsichtlich der Begründung zutreffenderweise an der "62-Sekunden" Entscheidung des OLG Celle, sowohl was die Kriterien des inhaltlichen Zusammenhangs zweier Verstöße betrifft als auch was die Interpretation relativ ungenauer Zeitangaben zugunsten des Betroffenen angeht. Dadurch dass hier zwei Geschwindigkeitsverstöße zu ahnden waren, gelang die Konstruktion eines einheitlichen prozessualen Tatgeschehens deutlich leichter, als wenn es sich um bspw. einen Rotlichtverstoß und einen anschließenden Überholverstoß gehandelt hätte. Denn bei letztgenannten Verstößen müsste sich das Gericht intensiv mit der mglw. unterschiedlichen Motivation der Handlung auseinandersetzen, die jedoch bei einer einheitlich zu schnellen Fahrt eher auf der Hand liegt.
Zu beachten ist in Fragen des Strafklageverbrauchs stets die Unterscheidung, die § 84 OWiG in seinen Absätzen 1 und 2 trifft: soll mit einer Ordnungswidrigkeit ein Strafverfahren wegen Vorliegen des Verfahrenshindernisses der entgegenstehenden Rechtskraft zur Einstellung gebracht werden, § 84 Abs. 2 OWiG, dann muss über den bußgeldbewehrten Verstoß eine der Rechtskraft fähige Entscheidung ergehen, typischerweise ein Urteil des Bußgeldrichters oder ein Beschluss nach § 72 OWiG. Es genügt dann jedenfalls nicht, den Bußgeldbescheid nur in Bestandskraft erwachsen zu lassen, denn dies würde eine Straftat nicht sperren können.
Schließlich ist positiv zu vermerken, auch wenn das OLG Stuttgart darüber nicht einmal weitere Worte der Begründung verliert, dass die Kosten- und Auslagenentscheidung nach § 467 StPO korrekt getroffen wurde. Dass hier zwei Verstöße, die eigentlich einer einheitlichen Ahndung hätten zugeführt werden müssen, in getrennten Verfahren verfolgt worden sind, kann keinesfalls dem Betroffenen zugerechnet werden, sondern dies war ein schlichter Fehler der Verwaltungsbehörde. Die Auslagenentscheidung nach § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO ist jedoch eine (zugunsten des Betroffenen / Angeklagten!) eng auszulegende Ausnahmevorschrift, die eine zweistufige Prüfung erfordert. Nicht nur muss eine Verurteilung mit einer hohen Gewissheit feststehen, sondern auch die durch das BVerfG geforderte zweite Stufe einer Billigkeitsprüfung muss erfüllt sein, um eine Auslagenentscheidung zulasten des Betroffenen treffen zu können. Gerade wenn diesem kein prozessuales "Fehlverhalten" (etwa eine bewusste Verzögerung des Verfahrens) anzulasten ist, darf eine belastende Auslagenentscheidung nicht ergehen. Denn dies ähnelte zu sehr einer abgeschwächten Ahndung durch die Hintertür aus Unzufriedenheit über die verpflichtende Einstellung des Verfahrens.
RAG Dr. Benjamin Krenberger, Landstuhl
zfs 11/2024, S. 652 - 654