Hat ein Unfallversicherer eine bestimmte Invaliditätsleistung nach Prüfung "anerkannt" und ausgezahlt, und stellt sich im weiteren Verlauf einer streitigen Auseinandersetzung heraus, dass in Wirklichkeit keine Invalidität oder ein geringerer Grad vorliegen, so kann dem bereicherungsrechtlichen Herausgabeanspruch Treu und Glauben entgegenstehen, wenn der Versicherer durch sein Regulierungsverhalten das Vertrauen des Versicherungsnehmers begründet hat, bei der gewährten Entschädigung werde es in jedem Falle verbleiben. Das bestätigt die abgedruckte Entscheidung in Begründung und Ergebnis zu Recht.
Die Entscheidung nimmt allerdings ohne nähere Begründung (die sich aus dem vollständigen, aber nicht mitgeteilten Sachverhalt ergeben mag) an, dass ein Versicherungsfall eingetreten sei. Zwar sei kein "Unfall" i.S.v. § 178 VVG anzunehmen, weil keine äußere Einwirkung auf den Körper stattgefunden habe. Jedoch habe die Klägerin (unbestritten) vorgetragen, beim Aussteigen aus dem Auto in einer Waschstraße ausgerutscht zu sein und sich dabei die linke Hüfte verdreht zu haben. Das erfüllt nach der Entscheidung die Voraussetzungen des "erweiterten Unfallbegriffs". Die AUB sehen nämlich vor, dass eine "erhöhte Kraftanstrengung", die dazu führt, dass sich ein Versicherungsnehmer an Gliedmaßen oder Wirbelsäule Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln zerrt oder zerreißt, als Unfall gilt.
Das begegnet – jedenfalls ohne ein Wort der Argumentation – Bedenken. Eine erhöhte Kraftanstrengung muss die mit einer normalen körperlichen Bewegung oder Tätigkeit des täglichen Lebens naturgemäß verbundene Muskelanstrengung übersteigen. Zwar braucht kein völlig außergewöhnlicher oder extremer Krafteinsatz vorzuliegen. Nicht erfasst sind allerdings erkennbar normale körperliche Bewegungen oder Tätigkeiten des täglichen Lebens, die – bei allerdings individueller Betrachtung – keine bemerkenswerte Anstrengung erfordern wie Gehen, Laufen, Aufstehen, Hocken oder Bücken (BGH NJW-RR 2020, 92). Zu solchen "normalen" Kraftanstrengungen gehört an sich auch das Aussteigen aus einem Kraftfahrzeug. Wer dabei "ausrutscht", wendet an sich gar keine Kraft, schon gar keine erhöhte auf.
Damit stellt sich die – gleichfalls nicht beantwortete – Frage, ob der Versicherer, der einmal eine Invaliditätsleistung ausgezahlt und zugleich Vertrauen auf das Behaltendürfen erzeugt hat, nicht nur gehindert ist, sich später auf fehlende Invalidität oder ihr geringeres als angenommenes Maß zu berufen, sondern auch auf das Fehlen eines Versicherungsfalls. Dafür spricht allerdings alles.
Prof. Dr. Roland Rixecker, Saarbrücken
zfs 11/2024, S. 634 - 637