1 Gerichtsverfassungs- und Zivilprozessrecht
1.1 Commercial Courts und Englisch in der Zivilgerichtsbarkeit
Am 10.10.2024 ist das Gesetz zur Stärkung des Justizstandortes Deutschland durch Einführung von Commercial Courts und der Gerichtssprache Englisch in der Zivilgerichtsbarkeit (Justizstandort-Stärkungsgesetz) v. 7.10.2024 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden (BGBl 2024 I Nr. 302 v. 10.10.2024). Es tritt im Wesentlichen am 1.4.2025 in Kraft. Das Gesetz eröffnet den Ländern die Möglichkeit, durch Rechtsverordnung einen oder mehrere Senate bei einem Oberlandesgericht oder einem Obersten Landesgericht als Commercial Court einzurichten, der im ersten Rechtszug für Streitigkeiten mit einem Streitwert ab 500.000,00 EUR für Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Unternehmen, aus oder im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Unternehmens oder von Anteilen an einem Unternehmen sowie zwischen Gesellschaft und Mitgliedern des Leitungsorgans oder Aufsichtsrat zuständig ist, sofern die Parteien dies ausdrücklich oder stillschweigend vereinbaren oder sich der Beklagte auf einen entsprechenden Antrag des Klägers in der Klageerwiderung rügelos einlässt. Optional kann ein Commercial Court auch in Berufungs- und Beschwerdesachen in den vorgenannten Rechtsgebieten eingerichtet werden. Zudem werden die Landesregierungen ermächtigt, bei ausgewählten Landgerichten Zivilkammern oder Kammern für Handelssachen einzurichten, bei denen die Verhandlung in den genannten Rechtsgebieten vollständig in englischer Sprache geführt wird (Commercial Chambers). Ausgenommen von der Neuregelung sind Streitigkeiten auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes, des Urheberrechts sowie über Ansprüche nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Das Gesetz soll der Stärkung des Justiz- und Wirtschaftsstandortes Deutschland dienen und die Wettbewerbsfähigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit erhöhen.
Quelle: BR-Drucks 418/24
2 Berufsrecht
2.1 Hybride und virtuelle Versammlungen in den Berufsordnungen der Rechtsanwälte, Notare und Steuerberater
Am 25.10.2024 ist das Gesetz zur Regelung hybrider und virtueller Versammlungen in der Bundesnotarordnung, der Bundesrechtsanwaltsordnung, der Patentanwaltsordnung und dem Steuerberatungsgesetz sowie zur Änderung weiterer Vorschriften v. 22.10.2024 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden (BGBl 2024 I Nr. 320 v. 25.10.2024). Das Gesetz hat insbesondere das Ziel, den regionalen Notar- und Rechtsanwaltskammern, der Bundesnotarkammer, der Bundesrechtsanwaltskammer, der Patentanwaltskammer und der Bundessteuerberaterkammer die Möglichkeit einzuräumen, Versammlungen in hybrider oder virtueller Form durchzuführen. Die einzelnen Regelungen des Gesetzes treten spätestens am 1.5.2025 in Kraft.
Quelle: BR-Drucks 372/23
3 Wohnungseigentumsrecht
3.1 Virtuelle Wohnungseigentümerversammlungen und Privilegierung von sog. Balkonkraftwerken
Am 17.10.2024 ist das Gesetz zur Zulassung virtueller Wohnungseigentümerversammlungen, zur Erleichterung des Einsatzes von Steckersolargeräten und zur Übertragbarkeit beschränkter persönlicher Dienstbarkeiten für Erneuerbare-Energien-Anlagen v. 10.10.2024 in Kraft getreten (BGBl 2024 I Nr. 306 v. 16.10.2024). Zukünftig können Wohnungseigentümerversammlungen nicht nur hybrid, sondern auch rein online durchgeführt werden, wenn dies in der Wohnungseigentümergemeinschaft mit drei Vierteln der abgegebenen Stimmen beschlossen wird. Virtuelle Eigentümerversammlungen können zunächst nur für einen Zeitraum von drei Jahren beschlossen werden. Wird ein solcher Beschluss vor 2028 gefasst, müssen Wohnungseigentümer bis einschließlich 2028 jedoch mindestens einmal im Jahr noch eine Präsenzversammlung durchführen, es sei denn, sie verzichten einstimmig darauf. Steckersolaranlagen (sog. Balkonkraftwerke) gehören nun zu den privilegierten Vorhaben. Eigentümergemeinschaften können den Einbau solcher Anlagen nicht mehr ohne triftigen Grund verweigern. Mieterinnen und Mieter haben nun einen Anspruch auf die Erlaubnis des Vermieters zu einer solchen Anlage. Zudem wird juristischen Personen und rechtsfähigen Personengesellschaften die Übertragbarkeit beschränkter persönlicher Dienstbarkeiten für Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien ermöglicht.
Quelle: BundesratKOMPAKT zur 1047. Sitzung des Bundesrates v. 27.9.2024
Autor: Karsten Funke
Karsten Funke, Richter am Landgericht, München
zfs 11/2024, S. 602