Ausgehend von diesen Grundweichenstellungen ist im Einzelfall zu klären, wer zum Kreis der nahen Angehörigen gehört, wer dem sozialen Netzwerk des Verletzten derart nah ist, dass er selbst durch den Eingriff des Schädigers in den Körper/die Gesundheit des Opfers unmittelbar Schaden erleidet. Zum engsten sozialen Netzwerk gehören zunächst einmal Ehepartner, die Eltern und eventuell auch noch Großeltern, die Kinder der Ehepartner und etwaige Enkel; in gleicher Weise auch die Lebenspartner aber auch die Lebensgefährten. Im Einzelfall können Abweichungen angemessen sein. Es kann sein, dass sich Eheleute derart auseinander gelebt haben, dass eine schwere Verletzung oder der Tod des Partners keinerlei seelische Schmerzen mehr beim anderen auslöst. So etwas kann auch in der Beziehung Eltern zu Kindern – Eltern zu Großeltern oder in jeder anderen Beziehungsrichtung entstehen.
Man kann aber sagen, dass eine klassische familien- oder sozialtypische Beziehung die Vermutung naher Verwandtschaft im Sinne des Schadensrechtes zur Begründung des Anspruchs auf Schmerzensgeld beinhaltet – diese Vermutung ist im Einzelfall widerleglich.
Umgekehrt kann es Näheverhältnisse geben, die so stark wie bei typischen nahen Angehörigen sind, obwohl keinerlei "Angehörigenstatus" vorliegt. Das ist bei tiefen Lebensfreundschaften oder auch bei Kameradschaften im militärischen Bereich denkbar. Auch in diesen Fällen ist der Eingriff des Schädigers für den "nahen Freund/Kameraden" traumatisch und folglich zu entschädigen.
Für die Höhe des Schmerzensgeldes ist das an anderer Stelle entwickelte System der taggenauen Bemessung des Schmerzensgeldes auch in den Fällen des Angehörigenschmerzensgeldes grundlegend. Der Anspruch des Angehörigen knüpft dabei an einen eigenen pathologischen Zustand an. Dieser Zustand kann zwanglos mithilfe der versorgungsmedizinischen Grundsätze (GdS) definiert werden. Das schließt im Einzelfall individuelle Zu- und Abschläge nicht aus. Dabei dürfte auch die Durchsetzung der Präventionsfunktion des Haftungsrechtes – insbesondere in Fällen schwerster Verletzungen – eine Rolle spielen. Eine eigenständige Bagatellgrenze für das Angehörigenschmerzensgeld bedarf es nicht. Diese Bagatellgrenze ist den versorgungsmedizinischen Grundsätzen (GdS) immanent. Eine Entschädigung wird nach diesen Grundsätzen erst oberhalb von 10 % GdS gezahlt. Der darunter bleibende Schädigungsgrad beschreibt die diesem System immanente Bagatellgrenze.