ZPO § 935; VVG § 192; MB-KK 2009 § 1 Abs. 1, 2
Leitsatz
1. In einem einstweiligen Verfügungsverfahren kann der VR verpflichtet werden, vorab eine Kostenzusage zu erteilen, wenn ein schutzwürdiges Interesse des VN hieran besteht.
2. Eine Heilbehandlung liegt auch dann vor, wenn zur Verhinderung der Verschlimmerung einer Krankheit eine Überwachung zur Erhaltung der Vitalfunktionen rund um die Uhr erforderlich ist (hier: Absaugen von Schleim bei chronisch obstruktiver Bronchitis und schwerer Dysphagie).
3. Eine Formularklausel in einem Krankheitskostenversicherungsvertrag, die nichtärztliche Leistungen, die zur Erhaltung der Vitalfunktionen des VN erforderlich sind, ausgrenzt, gefährdet den Vertragszweck i.S.d. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB.
OLG Hamm, Beschl. v. 12.10.2011 – I-20 W 29/11
Sachverhalt
Der Kl. ist Richter im Ruhestand, nachdem er im Jahr 1999 einen hypoxischen Hirnschaden erlitten hat. Er ist in die Pflegestufe 3 eingruppiert und wird zu Hause gepflegt. Am 1.4.2011 verordnete der behandelnde Arzt, der eine chronische obstruktive Bronchitis und eine schwere Dysphagie diagnostizierte, eine häusliche medizinische Intensivpflege für die Zeit v. 1.4.2011 bis zum 30.4.2011 für die Nacht als dringend erforderlich, da eine Krankenschwester für den nächtlichen Dienst das Absaugen von Schleim übernehmen und dadurch die Atmung sicherstellen müsse. Mit Verordnung v. 1.5.2011 wiederholte der behandelnde Arzt diese Verordnung betreffend die Zeit v. 1.5.2011 bis zum 31.7.2011.
Mit Verordnung v. 7.7.2011 verordnete der behandelnde Arzt eine häusliche Intensivpflege für 24 Stunden als dringend erforderlich. Ganztägig sei eine Krankenschwester zur Übernahme des Absaugens von Schleim und zur Sicherstellung der Atmung erforderlich. Nach einem "ärztlichen Gutachten" des behandelnden Arztes besteht zurzeit eine extrem starke Schleimproduktion, die durch akute Verlegung der Luftröhre zu einer lebensbedrohlichen Situation führen könne. Deshalb müsse der ASt. ständig intensivmedizinisch beobachtet werden; im Falle des Hochhustens des Schleims müsse dieser zur Vermeidung einer vitalen Gefährdung sofort abgesaugt oder manuell entfernt werden.
Mit Schreiben v. 5.4.2011 teilte die AG dem ASt. mit, dass tarifliche Leistungen nicht erbracht werden könnten, weil bedingungsgemäß nur Aufwendungen für solche ärztliche Leistungen erstattungsfähig seien, die in der Gebührenordnung für Ärzte aufgeführt seien. Bei Leistungen der Behandlungspflege durch Angehörige von privaten Pflegediensten handele es sich nicht um ärztliche Leistungen.
2 Aus den Gründen:
“Die zulässige sofortige Beschwerde des ASt. hat Erfolg. Im Wege der einstweiligen Verfügung war die AG zu verpflichten, dem Ast. eine Kostenzusage bis zum rechtskräftigen Abschluss des bereits anhängigen Hauptsacheverfahrens für die ärztlich verordnete Intensivpflege zu erteilen.
Nach der Rspr. des Senats (NJOZ 2006, 1201) kann in Ausnahmefällen eine Kostenübernahmeerklärung des VR im Wege der einstweiligen Verfügung zur Abwendung schwerwiegender Nachteile und Schäden für Gesundheit, Leib und Leben trotz des Befriedigungscharakters der damit begehrten Leistungsverfügungen verlangt werden. Dies ist hier der Fall. Denn der Ast. hat sowohl einen Verfügungsgrund als auch einen Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht.
1. Nach der Rspr. des Senats (NJOZ 2006, 1201) kommt aus Treu und Glauben ein Anspruch des VN auf eine vorab vorzunehmende Überprüfung der Kostenübernahme und Erteilung einer Kostenübernahmeerklärung in Betracht, wenn in Ausnahmefällen ein schutzwürdiges Interesse des VN hieran besteht. Dies ist hier der Fall, da der Ast. sowohl glaubhaft gemacht hat, dass er die nicht von seinem Beihilfeanspruch abgedeckten besonders gravierenden Kosten der Intensivpflege weder von seinem Einkommen noch seinem Vermögen abdecken kann als auch glaubhaft gemacht hat, dass die angefragten Dienstleister ihre Tätigkeit von dem Vorliegen einer Kostenzusage abhängig gemacht haben.
2. Gem. § 1 Abs. 1 S. 1 der vereinbarten MB/KK 2009 bietet die AG Versicherungsschutz u.a. für Krankheiten und erbringt nach § 1 Abs. 1 S. 3 lit a) im Versicherungsfall in der Krankheitskostenversicherung Ersatz von Aufwendungen für Heilbehandlungen. Nach § 1 Abs. 2 MB/KK 2009 ist Versicherungsfall die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person u.a. wegen Krankheit.
Zwar trifft im Ausgangspunkt die Annahme des LG zu, dass Heilbehandlung jede auf Heilung oder Linderung einer Krankheit zielende Tätigkeit ist. Allerdings sind nach ganz einhelliger Auffassung in Rspr. (vgl. BGH VersR 1996, 1224 Leitsatz 1) und Literatur (vgl. Prölss/Martin/Voit, § 192 VVG Rn 49; VersRHdb/Müller, § 44 Rn 142) gleichgestellt solche Tätigkeiten, die auf die Verhinderung der Verschlimmerung einer Krankheit gerichtet sind. Dies ist hier nach dem durch Vorlage der ärztlichen Atteste glaubhaft gemachten medizinischen Befund gegeben. Denn danach produziert der Körper des Ast., der an einer chronisch obstruktiven Bronchitis leidet, unkontrolliert und übermäßig Schleim, der wegen einer schw...