MB/KK § 1 Abs. 2 § 2 Abs. 1
Leitsatz
1. In der Krankheitskostenversicherung ist der Versicherungsfall nicht vor Beginn des Versicherungsschutzes eingetreten, wenn vor Beginn ein körperlicher Befund zwar Gegenstand einer ärztlichen Untersuchung war, der vom Arzt angeratene Verzicht auf eine ärztliche Heilbehandlung aus medizinischer Sicht aber eine gut vertretbare Alternative darstellte, weil die mit der Untersuchung begonnene Heilbehandlung auch wieder abgeschlossen wurde.
2. Das Vorliegen einer Behandlungsbedürftigkeit i.S.v. § 1 Abs. 2 MB/KK bemisst sich nach objektiven Kriterien, wobei ein ebenfalls nach objektiven Kriterien zu bestimmender Entscheidungsspielraum eröffnet ist.
OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.6.2013 – 12 U 127/12
Sachverhalt
Der gesetzlich krankenversicherte Kl. begehrt Leistungen aus einer Zahnzusatzversicherung mit Versicherungsbeginn 1.11.2008.
§ 2 Nr. 1 der Versicherungsbedingungen bestimmt:
"Für Versicherungsfälle, die vor Beginn des Versicherungsschutzes eingetreten sind, wird nicht geleistet."
§ 1 Nr. 2 lautet:
"Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Der Versicherungsfall beginnt mit der Heilbehandlung; er endet, wenn nach medizinischem Befund eine Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr besteht."
Im August 2008 wurde durch den Zahnarzt H eine Röntgenaufnahme des klägerischen Gebisses angefertigt und der Kl. über Zahnersatz und eine PA-Behandlung beraten. 2011 wurden beim Kl. Implantate an den Zähnen 15-17 gesetzt. Die Behandlung wurde am 1.4.2011 mit 3.253,21 EUR und am 7.9.2011 mit 4.045,90 EUR in Rechnung gestellt. Nach Abzug eines Zuschusses der Krankenkasse von 380,77 EUR macht der Kl. 80 % der Summe geltend.
2 Aus den Gründen:
" … Die Berufung des Kl. ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg."
1. Die Parteien streiten darüber, ob nach den AVB der Bekl. bereits mit der Beratung und Anfertigung eines Orthopantomogramms (OPG) am 14.8.2008 durch den Zahnarzt H der Versicherungsfall gem. § 2 Nr. 1 AVB eingetreten ist. Nach dieser Klausel haftet die Bekl. nämlich nicht für Versicherungsfälle, die vor Beginn des Versicherungsschutzes – und damit vor dem 1.11.2008 – eingetreten sind. Die Beweislast dafür, dass der Versicherungsfall schon vor Eintritt des Versicherungsschutzes begonnen hat, obliegt dem VR (Bach/Moser, Private Krankenversicherung, 4. Aufl., § 2 MB/KK Rn 39; a.A. Prölss/Martin, a.a.O., § 2 MB/KK Rn 4). Diesen Beweis hat die Bekl. nicht erbracht.
2. Versicherungsfall ist nach § 1 Abs. 2 AVB die medizinisch notwendige Heilbehandlung. Gem. § 1 Abs. 2 S. 2 AVB beginnt der Versicherungsfall dabei mit der Heilbehandlung, d.h. der ärztlichen Tätigkeit, die durch die betroffene Krankheit verursacht worden ist, sofern die Leistung des Arztes von ihrer Art her in den Rahmen der medizinisch notwendigen Krankenpflege fällt und auf die Heilung oder Linderung der Krankheit abzielt, mag dieses Endziel auch erst nach Unterbrechungen oder mit Hilfe weiterer Ärzte erreicht werden. Der Versicherungsfall beginnt gem. § 1 Abs. 2 AVB nicht bereits mit der Erkrankung selbst, sondern erst mit der Heilbehandlung und endet danach nicht schon mit dem Abbruch oder Beendigung der Behandlung, sondern erst mit dem Wegfall der nach medizinischen Gesichtspunkten zu beurteilenden Behandlungsbedürftigkeit (OLG Stuttgart VersR 2011, 1506). Für die Frage, ob eine ärztliche Leistung als “Beginn der Heilbehandlung’ anzusehen ist, ist der richtige Bezugspunkt nicht der konkrete Auftrag des Patienten an den Arzt, sondern die behandlungsbedürftige Krankheit selbst. Das zeigt auch die Bestimmung über das Ende des Versicherungsfalls, der nämlich nicht schon damit endet, dass das Vertragsverhältnis mit dem jeweils behandelnden Arzt seinen Abschluss gefunden hat, sondern erst dann, wenn nach medizinischem Befund keine “Behandlungsbedürftigkeit’ mehr besteht, gleichgültig, wie viele Ärzte nebeneinander oder nacheinander zur Behandlung dieser Krankheit tätig geworden sind. Nach gefestigter Rspr. beginnt die Heilbehandlung mit der ersten Inanspruchnahme einer solchen ärztlichen Tätigkeit, wobei zur Behandlung nicht nur die unmittelbare Heiltätigkeit, sondern auch schon die erste ärztliche Untersuchung, die auf ein Erkennen des Leidens abzielt, gehört, ohne Rücksicht darauf, ob sofort oder erst nach weiteren Untersuchungen eine endgültige und richtige Diagnose gestellt und mit den eigentlichen Heilmaßnahmen begonnen worden ist. (BGH VersR 1978, 271; VersR 1996, 1224; OLG Stuttgart VersR 2011, 1506).
Die hier streitig Frage, ob mit der Untersuchung und Erstellung der Panoramaaufnahme am 14.8.2008 die Behandlung beim Kl. beendet gewesen ist, bemisst sich nicht nach subjektiven, sondern alleine nach objektiven Kriterien. Der Versicherungsfall endet erst dann, wenn nach objektiv medizinischem Befund keine Behandlungsbedürftigkeit mehr besteht. Hierbei ist ein nach objektiven Kriterien zu bestimmender Entscheidungsspielraum eröffnet (BGH Vers 1978, 271; Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 1 MB/KK Rn...