StVZO § 31a
Leitsatz
Die Anordnung eines Fahrtenbuchs als Mittel der Gefahrenabwehr kann nach Vergehen eines erheblichen Zeitraums seit der Begehung der Tat bzw. der Einstellung unverhältnismäßig sein (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.12.1991 – 3 B 108.91 – zfs 1992, 286; NdsOVG, Beschl. v. 23.8.2013 – 12 LA 156/12, in diesem Heft). Eine Zeitspanne von 13 bzw. elf Monaten bis zum Erlass der Fahrtenbuchanordnung hält sich aber letztlich dann noch im Rahmen, wenn es sich beim hier gegebenen Verkehrsverstoß nicht nur um eine Ordnungswidrigkeit, sondern um eine Straftat handelt.
(Leitsatz der Schriftleitung)
VG Sigmaringen, Beschl. v. 8.11.2013 – 2 K 2856/13
1 Aus den Gründen:
" … 1. Eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften liegt vor. Am 16.8.2012 kam das auf die ASt. zugelassene Fahrzeug M mit dem amtlichen Kennzeichen … auf der O. Straße in … auf die Gegenspur ab. Hierdurch musste der Führer eines entgegenkommenden F nach rechts ausweichen, um eine Kollision zu vermeiden. Am ausweichenden Fahrzeug entstand infolgedessen ein Sachschaden von 608 EUR netto. Der M fuhr weiter und entfernte sich vom Unfallort. Diesem objektiven Sachverhalt, der insb. aus der vom Gericht beigezogenen Ermittlungsakte mit den Zeugenaussagen des Fahrzeugführers und des Beifahrers des F, den Lichtbildern des M und des F sowie dem Reparaturangebot für die beschädigte Felge hervorgeht, hat die ASt. keine substantiierten Angaben entgegengestellt. Bestreitet aber der Halter eines Fahrzeugs, der ein Fahrtenbuch führen soll, es habe sich ein Verkehrsverstoß ereignet, so muss er – soll seinem Vortrag gefolgt werden – substantiierte Angaben machen, die seine Schilderung plausibel erscheinen lassen (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 14.6.1999 – 12 M 2491/99 [zfs 1999, 540]; OVG Münster, Beschl. v. 9.5.2006 – 8 A 3429/04). Soweit die ASt. argumentiert, der Fahrer des M habe angesichts des Geschehensablaufs nichts davon mitbekommen müssen, dass am entgegenkommenden F ein Schaden entstanden sei, also eine Unfallsituation i.S.d. § 142 StGB vorgelegen habe, verfängt dies nicht. Für die Verhängung einer Fahrtenbuchauflage reicht aus, dass der objektive Tatbestand des § 142 Abs. 1 StGB erfüllt ist. Auf Feststellungen zum Vorsatz kommt es nicht an, da derartige Feststellungen die Ermittlung des Täters voraussetzen und die Fahrtenbuchauflage gerade dazu dienen soll, diese Voraussetzung in künftigen Fällen zu erfüllen (BVerwG, Beschl. v. 12.2.1980 – 7 B 179.79; OVG Lüneburg, Beschl. v. 9.5.2005 – 8 A 1893/05)."
2. Die Feststellung des für die Verkehrsordnungswidrigkeit verantwortlichen Fahrzeugführers war in der Folgezeit unmöglich. Der Begriff der Unmöglichkeit ist im Rahmen des Tatbestandes des § 31a Abs. 1 S. 1 StVZO nicht im naturwissenschaftlichen Sinne zu verstehen. Ausreichend zur Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals ist es, dass die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat (st. Rspr., vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 25.6.1987 – 7 B 139.87, Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 17 und VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.4.1999 – 10 S 114/9, [zfs 1999, 450 =] VBlBW 1999, 463). Für die Beurteilung der Angemessenheit der Aufklärungsmaßnahmen kommt es dabei wesentlich darauf an, ob die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Dabei können sich Art und Umfang der Tätigkeit der Behörde, den Fahrzeugführer zu ermitteln, an der Erklärung des betreffenden Fahrzeughalters ausrichten (BVerwG, Urt. v. 17.12.1982 – 7 C 3.80, Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 12 und VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 30.11.1999 – 10 S 2436/99, [zfs 2000, 178 =] VBlBW 2000, 201). Zu einem angemessenen Ermittlungsaufwand gehört grds. die unverzügliche, d.h. regelmäßig innerhalb von zwei Wochen erfolgende Benachrichtigung des Fahrzeughalters von der mit seinem Kfz begangenen Zuwiderhandlung (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.10.1978 – VII C 77.74; BayVGH, Beschl. v. 8.3.2013 – 11 CS 13.187). Lehnt dieser die sachdienliche Mitwirkung an der Aufklärung des Verstoßes ab, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (vgl. auch OVG Saarland, Beschl. v. 14.4.2000 – 9 V 5/00, juris und VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 8.11.2001 – 10 S 1963/01, v. 17.10.1986 – 10 S 2609/86 und v. 4.8.1988 – 10 S 2071/88). …
Der Umstand, dass zwischen dem Verkehrsverstoß v. 16.8.2012 sowie der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft K. v. 16.10.2012 und der Fahrtenbuchanordnung v. 9.9.2013 mehrere Monate lagen, dürfte ebenfalls keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begründen lassen. Zwar kann die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage als Mittel der Gefahrenabwehr nach Vergehen eines erheblichen Zeitraums seit der Begehung der Tat bzw. der Einstellu...