[6] "… 1. Die Revision ist insgesamt statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Sofern das BG eine Beschränkung der Revisionszulassung für die Bekl. beabsichtigt haben sollte, wäre diese unzulässig, so dass die Revision unbeschränkt zugelassen ist (vgl. Senatsurt. v. 12.12.2006 – VI ZR 4/06, VersR 2007, 811 Rn 4 m.w.N., insoweit in BGHZ 170, 180 nicht abgedruckt)."

[7] 2. Die Entscheidung des BG, den Rechtsstreit nicht nach Art. 27, 28 EuGVVO auszusetzen, kann mit der Revision angegriffen werden. Das Verfahren der Aussetzung nach Art. 27, 28 EuGVVO bestimmt sich nach nationalem Recht (vgl. Kropholler/von Hein, 9. Aufl., EuZPR, Art. 27 Rn 24; Rauscher/Leible, EuZPR/EuIPR, Bearb. 2011, Art. 28 EuGVVO Rn 7; siehe auch BGH, Urt. v. 6.2.2002 – VIII ZR 106/01, NJW 2002, 2795, 2797). Nach § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO in der seit dem 1.1.2002 geltenden Fassung kann das OLG in seinen Beschlüssen die Rechtsbeschwerde zulassen. Wenn ein gesonderter Beschluss über die Ablehnung der Aussetzung anfechtbar sein kann, muss auch eine Überprüfung der in einem Urteil ausgesprochenen Ablehnung im Rahmen der Revision möglich sein (vgl. Anders, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 4. Aufl., § 252 Rn 3; MüKo-ZPO/Gehrlein, 4. Aufl., § 252 Rn 8; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 33. Aufl., § 252 Rn 1; siehe auch BAG NJW 1968, 1493 f.; Musielak/Ball, ZPO, 9. Aufl., § 557 Rn 9; a.A. Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 252 Rn 1c; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 71. Aufl., § 252 Rn 5; Hk-ZPO/Wöstmann, 5. Aufl., § 252 Rn 2).

[8] 3. Die Revision wendet sich nicht gegen die zutreffende Annahme der Vorinstanzen, dass der Geschädigte, der seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat, nach Art. 11 Abs. 2, Art. 9 Abs. 1 lit. b EuGVVO vor dem Gericht seines Wohnsitzes eine Klage unmittelbar gegen den VR erheben kann, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig ist und der VR seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates hat (vgl. Senatsurteile vom 6.5.2008 – VI ZR 200/05, BGHZ 176, 276 Rn 4 ff.; vom 23.10.2012 – VI ZR 260/11, VersR 2013, 73 Rn 20; EuGH, Urt. v. 13.12.2007 – C-463/06, VersR 2008, 111 Rn 21 ff. – Odenbreit).

[9] 4. Die Revision beanstandet ohne Erfolg, dass das BG eine Aussetzung des Rechtsstreits nach Art. 27 EuGVVO abgelehnt hat.

[10] a) Art. 27 EuGVVO regelt, dass dann, wenn bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht werden, das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aussetzt, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht (Abs. 1), und dass, sobald die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht, sich das später angerufene Gericht zugunsten dieses Gerichts für unzuständig erklärt. Die Klage ist im letztgenannten Fall als unzulässig abzuweisen (vgl. BGH, Urt. v. 9.10.1985 – IVb ZR 36/84, NJW 1986, 662; OLG Köln, VersR 2012, 1058 f.; Kropholler/von Hein, EuZPR, 9. Aufl., Art. 27 EuGVVO Rn 25; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., Art. 27 EuGVVO Rn 60 f.).

[11] Art. 27 EuGVVO ist den Prozessvoraussetzungen und damit der Zulässigkeit der Klage zuzuordnen. Die Vorschrift normiert ebenso wie das Prozesshindernis der anderweitigen Rechtshängigkeit gem. § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO eine negative Prozessvoraussetzung (vgl. zu Art. 21 EuGVÜ BGH, Urt. v. 9.10.1985 – IVb ZR 36/84, NJW 1986, 662; vom 20.11.2003 – I ZR 294/02, BGHZ 157, 66, 68 zu Art. 31 Abs. 2 CMR; OLG Stuttgart OLGR 2001, 288, 289). Die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO, auch EuGVO oder Brüssel I-VO genannt, in Kraft getreten am 1.3.2002) ersetzt in den Grenzen ihres zeitlichen, räumlichen und sachlichen Anwendungsbereichs das Brüsseler EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968 (EuGVÜ, BGBl II 1972, S. 774, vgl. Rauscher/Staudinger, EuZPR/EuIPR, Bearb. 2011, Einl. Brüssel I-VO Rn 1 f.). Sie ist im Streitfall nach Art. 1 Abs. 1 S. 1 EuGVVO anzuwenden. Das vor belgischen Gerichten anhängige Verfahren stellt ebenso wie das vorliegende Verfahren eine Zivilsache i.S.d. Art. 1 Abs. 1 S. 1 EuGVVO dar. Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei dem dortigen Verfahren um ein Adhäsionsverfahren handelt (vgl. auch Art. 5 Nr. 4 EuGVVO).

[12] Die Zivilklage auf Ersatz des Schadens, der einem Einzelnen durch eine strafbare Handlung entstanden ist, hat zivilrechtlichen Charakter, auch wenn sie in einem Strafverfahren zu diesem hinzutritt (vgl. EuGH, Urt. v. 21.4.1993 – C-172/91, NJW 1993, 2091 Rn 18 ff. – Sonntag; vom 28.3.2000 – C-7/98, NJW 2000, 1853 Rn 30 – Krombach; BGH, Beschl. v. 16.9.1993 – IX ZB 82/90, NJW 1993, 3269, 3270, insoweit in BGHZ 123, 268 nicht abgedruckt). Ist das Erstverfahren ein Adhäsionsverfahren, so ist das Gericht im Zweitverfahren bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 27 EuG-VVO zu dessen Beach...

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