OWiG § 71 § 79; StPO § 267 Abs. 1 S. 3
Leitsatz
1. Wegen lückenhafter Feststellungen zur eingehaltenen Geschwindigkeit ist ein Urteil auf die Sachrüge hin nur dann aufzuheben, wenn hinsichtlich der Geschwindigkeit ausschließlich gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG auf das in der Hauptverhandlung in Augenschein genommene Messfoto Bezug genommen wird, ohne dass die Messwerte in den Urteilsgründen anderweitig mitgeteilt werden.
2. Allein die Tatsache, dass der Betr. Ersttäter ist, lässt die Erforderlichkeit des Fahrverbots nicht entfallen.
OLG Bamberg, Beschl. v. 13.10.2014 – 2 Ss OWi 1139/14
1 Aus den Gründen:
" … Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerde hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betr. ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG)."
Zur Begründung wird auf die zutreffende Stellungnahme der GenStA Bamberg in ihrer Antragsschrift v. 17.09.2014 Bezug genommen. Das Vorbringen in der Gegenerklärung der Verteidigung vorn 2.10.2014 rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.
1. Der von der Verteidigung in der Gegenerklärung v. 2.10.2014 vorgebrachte Hinweis auf Cierniak in zfs 2012, 664, 680 verhilft der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg. Wegen lückenhafter Feststellungen zur eingehaltenen Geschwindigkeit ist das Urteil auf die Sachrüge hin nur dann aufzuheben, wenn hinsichtlich der Geschwindigkeit ausschließlich gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG auf das in der Hauptverhandlung in Augenschein genommene Messfoto Bezug genommen wird, ohne dass die Messwerte in den Urteilsgründen anderweitig mitgeteilt werden. So liegt der Fall hier aber gerade nicht, nachdem im angefochtenen Urteil des AG Bamberg v. 27.6.2014 die Messwerte ausdrücklich aufgeführt sind. Werden die Messwerte jedoch – wie hier – im Urteil erwähnt und verwertet, so ist eine Verletzung des § 261 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG (auch nach Cierniak a.a.O.) im Wege einer den Begründungsanforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG entsprechenden und innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 S. 1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG erhobenen Verfahrensrüge geltend zu machen. Eine solche wäre aber jedenfalls unbegründet, wie sich aus den zutreffenden Ausführungen der GenStA Bamberg in ihrer Antragsschrift v. 17.9.2014 ergibt.
2. Auch soweit sich die Rechtsbeschwerde mit der Sachrüge gegen die angeordnete Regelnebenfolge wendet, bleibt sie erfolglos. Dem Betr. liegt – ausgehend von den den Schuldspruch tragenden, revisionsrechtlich (§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG) einwandfreien Urteilsfeststellungen – eine grobe Verletzung seiner Pflichten als Kraftfahrzeugführer i.S.d. § 25 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StVG (§ 4 Abs. 1 BKatV) zur Last. Besondere, den Betr. entlastende Umstände, derentwegen das Gesamtbild der zu ahndenden Verkehrsordnungswidrigkeit vom Erscheinungsbild des im Bußgeldkatalog beschriebenen Regelfalls in solchem Maße abweicht, dass in diesem speziellen Einzelfall die Anordnung eines Fahrverbots unangemessen erscheint, sind im angefochtenen Urteil nicht festgestellt und werden im Übrigen auch in der Rechtsbeschwerde nicht vorgetragen. Insb. lässt allein die Tatsache, dass der Betr. Ersttäter ist, die Erforderlichkeit des Fahrverbots nicht entfallen. Vielmehr gehen die von der BKatV vorgesehenen Regelahndungen von fahrlässiger Begehungsweise, gewöhnlichen Tatumständen und fehlenden Vorahndungen aus (§§ 1 Abs. 2, 3 Abs. 1 BKatV).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.“
Mitgeteilt von RA Stefan Busch, Lübeck
2 Anmerkung:
Das OLG Bamberg weist en passant auf zwei wichtige Aspekte der erstinstanzlichen Verurteilung hin: Das Messfoto beinhaltet üblicherweise eine Abbildung von Fahrer und/oder Fahrzeug. Diese kann in Augenschein genommen werden. Werden im Übrigen auf dem Messfoto Daten eingeblendet, können diese natürlich nur durch Verlesen eingeführt werden und eine Bezugnahme gem. § 267 StPO ist nicht zulässig (OLG Hamm, Beschl. v. 20.3.2012 – 3 RBs 438/11, jurisPR-VerkR 1/2013 Anm. 6; OLG Brandenburg NStZ 2005, 413).
Der Verteidiger darf zudem bei einem bislang unbescholtenen Betr. nicht per se davon ausgehen, dass ein Fahrverbot nicht angeordnet oder von diesem gegen Erhöhung der Geldbuße abgesehen wird (KG Berlin, Beschl. v. 8.10.2014 – 3 Ws (B) 488/14, juris). Hier bedarf es also einer ausführlicheren Argumentation, die aktiv und präventiv erfolgen sollte und Beweisangebote benötigt. Denn der Tatrichter muss die Angaben des Betroffenen verifizieren.
RiAG Dr. Benjamin Krenberger
zfs 1/2015, S. 49 - 50