[12] "… II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand."
[13] 1. Mit der gegebenen Begründung durfte das BG den Klagantrag zu 1 hier für unbegründet erachten. Soweit es angenommen hat, die Kl. habe bereits bei Abschluss des Versicherungsvertrages – dem nach § 2 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 VVG a.F. für den Ausschluss der Rückwärtsversicherung maßgeblichen Zeitpunkt – Kenntnis davon gehabt, dass wegen der auf eine temporäre Demontage des “ … ‘ gerichteten Planung der Streithelferin ein Versicherungsfall eingetreten war, hat es einen falschen Maßstab zugrunde gelegt.
[14] a) Die in § 2 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 VVG a.F. geregelte Freiheit vom Leistungsversprechen einer Rückwärtsversicherung setzt ebenso wie die von den Parteien für den rückwirkenden Versicherungsschutz ab dem 1.3.2005 vereinbarte Klausel “frei von bekannten Verstößen‘ eine positive Kenntnis des VN davon voraus, dass bereits ein Versicherungsfall eingetreten oder ein ihn begründender Pflichtenverstoß geschehen ist. Wie der Senat für die – eine Anzeigeobliegenheit begründende – Kenntnis des VN vom Eintritt des Versicherungsfalls entschieden hat, kann deren Feststellung nicht durch die Erwägung ersetzt werden, der VN habe die betreffenden Umstände kennen müssen (Senat VersR 2008, 905 Rn 18 ff. m.w.N.; vgl. auch BGH VersR 1967, 56 unter II 2 b), denn das kennzeichnet lediglich einen Fahrlässigkeitsvorwurf.
[15] Für die hier in Rede stehenden Regelungen gilt nichts anderes. Sie bezwecken, den VN bei Vereinbarung einer Rückwärtsversicherung an einer bewussten Manipulation des versicherten Risikos zu hindern (Senat BGHZ 111, 44, 50 f.; BGHZ 117, 213, 215). Er soll nicht in die Lage versetzt werden, rückwirkenden Versicherungsschutz für einen Versicherungsfall zu erlangen, von dem er weiß, dass er bereits eingetreten ist. Eine Unkenntnis von einem bereits eingetretenen Versicherungsfall und sei sie auch grob fahrlässig birgt diese Manipulationsgefahr hingegen nicht.
[16] b) Es reicht deshalb nicht aus, wenn dem VN lediglich Tatsachen bekannt sind, die zwar den möglichen Schluss zulassen oder sogar nahe legen, ein Versicherungsfall könne bereits eingetreten sein. Solange der VN selbst einen solchen Schluss nicht zieht, etwa weil er andere Ursachen für ein ihm bekanntes Schadensbild vermutet oder er keine ausreichenden Überlegungen über die Schadensursache anstellt, hat er noch keine positive Kenntnis vom Versicherungsfall. Ein gegen ihn gerichteter Vorwurf erschöpft sich dann allenfalls darin, den sich aufdrängenden Schluss auf die Ursache fahrlässig – oder sogar grob fahrlässig – nicht gezogen und deshalb das Vorliegen eines Versicherungsfalls nicht erkannt zu haben.
[17] Anders liegt es nur dann, wenn der Tatrichter aufgrund der Umstände des Einzelfalles anhand des Beispiels eines durchschnittlichen VN – beweiswürdigend – die Überzeugung gewinnt und darlegt, der VN habe den sich aufdrängenden Schluss auf die nahe liegende Schadensursache tatsächlich gezogen und deshalb erkannt, dass dem Schaden Tatsachen zugrunde liegen, die ein versichertes Ereignis beschreiben.
[18] c) So können die Ausführungen des BG hier aber nicht verstanden werden. Es hat – ungeachtet des Umstandes, dass es seinen Erwägungen ebenfalls voranstellt, ein “Kennenmüssen‘ der Kl. genüge nicht – die vorgenannten Maßstäbe nicht berücksichtigt, wie seine weiteren Ausführungen besorgen lassen. Das BG stellt ausdrücklich nicht darauf ab, wie die Kl. die Planung der Streithelferin beurteilte und ob sie diese Planung bei Abschluss des Versicherungsvertrages als einen Verstoß gegen Rechtspflichten aus dem Vertrag über die Generalplanung einstufte. Stattdessen hat das BG einen “objektivierten Maßstab‘ zugrunde gelegt und danach gefragt, welche Schlüsse ein durchschnittlicher VN an Stelle der Kl. aus den Fallumständen, insb. dem Inhalt des Kaufvertrages vom 7. Juni 2005 und der Versagung der Baugenehmigung durch Bau- und Widerspruchsbehörde, ziehen musste. Auf die konkrete Würdigung der Fallumstände durch die Kl. soll es demgegenüber nach Auffassung des BG gerade nicht ankommen, weswegen auch der erst nach Bekanntwerden des Widerspruchsbescheides im Februar 2007 getroffenen Vereinbarung über ein zusätzliches Planungshonorar der Streithelferin nach Meinung des BG keine Bedeutung zukommt. Das lässt sich mit den in den vorgenannten Senatsentscheidungen aufgestellten Maßstäben nicht in Einklang bringen; denn danach kommt es für das – auch von § 2 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 VVG a.F. vorausgesetzte – Wissen des VN allein auf dessen konkrete Vorstellungen und nicht darauf an, was sich stattdessen einem durchschnittlichen VN unter Zugrundelegung eines objektiven Maßstabes aufgrund der Fallumstände aufgedrängt hätte. … “
zfs 1/2015, S. 30 - 31