Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Antragsteller war zwei Wochen stationär in einem Bezirkskrankenhaus untergebracht gewesen. Der Kurzentlassungsbrief führte u.a. die Diagnose Alkoholabhängigkeit auf. Die Fahrerlaubnisbehörde forderte den Antragsteller zur Beibringung eines fachärztlichen Fahreignungsgutachtens auf. Das daraufhin erstellte Gutachten attestierte dem Antragsteller Fahrgeeignetheit. Die Behörde hielt das Gutachten für nicht nachvollziehbar, entzog dem Antragsteller die Fahrerlaubnis und verpflichtete ihn zur Ablieferung des Führerscheins. Gleichzeitig ordnete sie insoweit jeweils die sofortige Vollziehbarkeit an. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren unterlag der Antragsteller in beiden Instanzen.
Der (nichtamtliche) Leitsatz lautet:
Attestiert eine Bezirksklinik einer Person, die sich mehr als zwei Wochen lang in ihr stationär aufgehalten hat, eine Abhängigkeitssymptomatik, so kommt einer solchen Diagnose ein hoher Grad an Verlässlichkeit zu.
Das Gericht entschied, dass ausreichende Anzeichen für eine Alkoholabhängigkeit vorhanden waren und die Entziehung der Fahrerlaubnis damit gerechtfertigt sei. Die Entscheidung ist konsequent. Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist grundsätzlich dann gerechtfertigt, wenn ihr Inhaber alkoholabhängig ist und seine Fahreignung nicht wieder erlangt hat. Entscheidende Bedeutung maß der Senat der gestellten Diagnose Alkoholabhängigkeit durch eine Bezirksklinik zu. Bei den bayerischen Bezirkskliniken handelt es sich um Einrichtungen, die nach Art. 48 Abs. 3 Nr. 1 BezO u.a. der Betreuung von Suchtkranken sowie solcher Personen dienen, die einer psychiatrischen Behandlung oder Fürsorge bedürfen. Diese Fachkrankenhäuser verfügen deshalb über einen hohen Grad an Spezialisierung auf die vorgenannten Gebiete. Die Feststellung, ob eine Person an einer Suchterkrankung leidet, gehört zu den Aufgaben, die in diesen Einrichtungen täglich in nicht geringer Zahl zu bewältigen sind. Attestiert eine Bezirksklinik einer Person, die sich mehr als zwei Wochen lang in ihr stationär aufgehalten hat, eine Abhängigkeitssymptomatik, so kommt einer solchen Diagnose ein hoher Grad an Verlässlichkeit zu. Denn eine so lange Befassung mit einem Patienten verschafft den behandelnden Ärzten ein mehr als nur oberflächliches Bild von seinen Lebensgewohnheiten und -einstellungen, seiner psychischen Verfassung und seinen nutritiven Gewohnheiten und damit von Faktoren, die für die Diagnose einer Alkoholabhängigkeit von Bedeutung sind. Dass eine solche Diagnose durch ein öffentlich-rechtliches Krankenhaus nicht leichtfertig gestellt wird, muss umso mehr angenommen werden, als die Feststellung einer Alkoholabhängigkeit gravierende Folgen sowohl für die Lebensführung und die beruflichen Möglichkeiten des Betroffenen als auch für seine Weiterbehandlung durch Dritte besitzt. Diese Umstände sowie die straf- und haftungsrechtlichen Konsequenzen, die sich aus der unzutreffenden Behauptung einer Alkoholabhängigkeit ergeben können, stehen der Annahme entgegen, eine Bezirksklinik würde einen von ihr stationär therapierten Patienten gegenüber dem weiterbehandelnden Arzt auch dann als alkoholabhängig (und zwar nicht nur in Gestalt einer Verdachts, sondern einer feststehenden Diagnose) bezeichnen, wenn ein derartiger Befund nicht zur Überzeugung der verantwortlichen Klinikärzte feststeht.
Nach dem Abschnitt 3.11.2 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung, die insoweit der Definition des Begriffs der "Abhängigkeit" in der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD10) folgen, soll die sichere Diagnose "Abhängigkeit" nur gestellt werden, wenn während des letzten Jahres drei oder mehr der folgenden Kriterien gleichzeitig vorhanden waren:
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Ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, psychotrope Substanzen zu konsumieren, |
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verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Konsums, |
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ein körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums, |
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der Nachweis einer Toleranz, |
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fortschreitende Vernachlässigung anderer Interessen zugunsten des Substanzkonsums |
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und anhaltender Substanzkonsum trotz des Nachweises eindeutig schädlicher Folgen, die dem Betroffenen bewusst sind. |
Wer wie der Antragsteller eine stationäre Entziehungsbehandlung absolviert, verfügt über einen starken Wunsch oder eine Art Zwang, psychotrope Substanzen zu konsumieren. Depressive Verstimmungen, die – wie beim Antragsteller – unter Alkoholeinfluss eintreten, sind schädliche Folgen anhaltenden Alkoholkonsums im Sinn des sechsten Abhängigkeitskriteriums. Auch die Wiederaufnahme von Alkoholkonsum durch den Betroffenen bereits einige Zeit nach Beendigung einer Entziehungsbehandlung stellt ein Indiz für verminderte Kontrollfähigkeit hinsichtlich der Alkoholaufnahme dar.
Das vom Antragsteller vorgelegte, für ihn positive Gutachten wurde zu Recht als nicht belastbar eingestuft. Denn ein belastbares Fahreignungsgutachten dar...