[11] "… a) Das BG hat im Ergebnis zutreffend unter Berücksichtigung der Senatsrechtsprechung angenommen, dass hier ein Versicherungsfall in Bezug auf den Zahn 27 bereits am 20.6.2008 eingetreten und nicht beendet war und der Kl. damit keinen Anspruch nach § 192 Abs. 1 VVG gegen die Bekl. auf Erstattung der streitgegenständlichen Heilbehandlungskosten hat."
[12] aa) Versicherungsfall ist nach § 1 Nr. 2 S. 1 AVB 2008 der Bekl. die medizinisch notwendige Heilbehandlung. Entgegen der Auffassung des Kl. bestand nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des BG hinsichtlich Zahn 27 bereits am 20.6.2008 Behandlungsbedürftigkeit in diesem Sinn.
[13] Mit dem Begriff “medizinisch notwendige’ Heilbehandlung wird – auch für den VN erkennbar – nicht an den Vertrag zwischen ihm und dem behandelnden Arzt und die danach geschuldete medizinische Heilbehandlung angeknüpft. Vielmehr wird zur Bestimmung des Versicherungsfalls ein objektiver, vom Vertrag zwischen Arzt und Patient unabhängiger Maßstab eingeführt. Diese objektive Anknüpfung bedeutet zugleich, dass es für die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung nicht auf die Auffassung des VN und auch nicht allein auf die des behandelnden Arztes ankommen kann. Gegenstand der Beurteilung können vielmehr nur die objektiven medizinischen Befunde und Erkenntnisse im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung sein. Demgemäß liegt eine medizinisch notwendige Heilbehandlung i.S.d. § 1 Nr. 2 AVB 2008 vor, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung vertretbar war, sie als notwendig anzusehen (Senat VersR 2013, 1558 Rn 13 … ).
[14] Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs hat das BG beanstandungsfrei festgestellt, dass bereits am 20.6.2008 mit der Diagnose einer apicalen Lyse beim Zahn 27 ein Versicherungsfall vorlag. Die Aufklärungstätigkeit der Zahnärztin hinsichtlich des problematischen Zustands des Zahns und der langfristigen ungünstigen Prognose erfolgte, wie das BG rechtsfehlerfrei angenommen hat, wegen der Erkrankung des Zahns. Der Kl. litt jedenfalls ab dem 20.6.2008 an einem starken Knochenabbau des Kiefers im Bereich des Zahns 27, der schließlich – wie ab diesem Zeitpunkt für ihn auch vorhersehbar – zu dessen Entfernung und zum Einsatz eines Implantats führte.
[15] bb) Die Behandlung begann – entgegen der Ansicht der Revision – am 20.6.2008 und war zu diesem Zeitpunkt auch nicht beendet, obwohl sie erst im Jahr 2010 mit Auftreten von Beschwerden fortgesetzt wurde.
[16] (1) Gem. § 1 Nr. 2 S. 2 AVB 2008 beginnt der Versicherungsfall mit der Heilbehandlung. Nach st. Senatsrechtsprechung gehört zur “Behandlung’ einer Krankheit nicht nur die unmittelbare Heiltätigkeit, sondern auch schon die erste ärztliche Untersuchung, die auf die Erkennung des Leidens abzielt, ohne Rücksicht darauf, ob sofort oder erst nach weiteren Untersuchungen eine endgültige und richtige Diagnose gestellt und mit den eigentlichen Heilmaßnahmen begonnen worden ist. Bei schon bekannten Krankheiten, bei denen es Arzt und Patient darum geht, nach in sich abgeschlossener erster Behandlungsphase verbliebene Krankheitsfolgen zu beheben oder zu lindern, ist zwar eine ärztliche Untersuchung zur Erkennung des Leidens oft gar nicht mehr notwendig. Aber auch in diesen Fällen beginnt die Heilbehandlung mit der ersten Inanspruchnahme jeglicher ärztlicher Tätigkeit, die durch die betreffende Krankheit verursacht worden ist, sofern die Tätigkeit des Arztes von ihrer Art her in den Rahmen der medizinisch notwendigen Krankenpflege fällt (Senat VersR 1978, 362, 364 … ). Diese Auslegung trägt dem Umstand Rechnung, dass es dem VN anderenfalls möglich wäre, zunächst eine ärztliche Diagnose und Beratung über mögliche Behandlungsformen einzuholen, sodann eine Krankenversicherung abzuschließen bzw. eine bestehende Krankenversicherung zu erhöhen, um danach die Heilbehandlung in Anspruch nehmen zu können. Sobald nämlich der Versicherte wegen einer Krankheit einen Arzt einmal in Anspruch genommen hat, hindert ihn die Klausel daran, den Versicherungsfall willkürlich abzubrechen und einen neuen zu einem ihm geeignet erscheinenden Zeitpunkt zu beginnen, obwohl es sich tatsächlich um die Weiterbehandlung der früheren Krankheit handelt (Senat VersR 1978, 271, 272 … ).
[17] Danach begann nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen der Versicherungsfall hinsichtlich des Zahns 27 hier mit der Fertigung der Röntgenaufnahme am 20.6.2008. Diese führte zum Erkennen der Erkrankung des Zahns und zur anschließenden medizinischen Beratung des Kl. durch seine Zahnärztin. Der Umstand, dass die Erkrankung des Zahns 27 zufällig im Rahmen der Behandlung des Zahns 28 festgestellt wurde, ändert daran – entgegen der Ansicht der Revision – nichts. Denn es handelte sich bei der Röntgenaufnahme gleichwohl um eine ärztliche Untersuchung, die auf das Erkennen eines Leidens abzielte. Entscheidend für den Beginn der Heilbehandlung ist...