" … II. Das LG Bochum hat den Antrag der Bekl. auf Ablehnung des Sachverständigen Dipl.-Ing. S zu Recht zurückgewiesen. Ein Ablehnungsgrund i.S.v. §§ 406, 42 ZPO ist nicht ersichtlich."
1. Ein Sachverständiger kann gem. § 406 Abs. 1 ZPO aus denselben Gründen abgelehnt werden, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen. Daher ist die Ablehnung eines Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit berechtigt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Es muss sich dabei um Tatsachen oder Umstände handeln, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteilich gegenüber. Die Ablehnung des vom Gericht beauftragten Sachverständigen setzt nicht voraus, dass der Sachverständige tatsächlich parteilich ist oder dass das Gericht selbst Zweifel an seiner Unparteilichkeit hat. Für eine Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit genügt vielmehr der bei dem ablehnenden Prozessbeteiligten erweckte Anschein der Parteilichkeit (BGH NJW 1975, 1363). Maßgebend dafür ist aber die objektive Sicht einer vernünftigen Partei.
2. Auf dieser Grundlage sind bei einer verständigen Betrachtung aller Tatsachen und Umstände keine hinreichenden Gründe ersichtlich, die geeignet sind, ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der Sachverständigen Dipl.-Ing. S zu rechtfertigen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Beschlusses.
Richtig ist, dass der Betrieb der Internet-Plattform … nicht unparteilich ist. Die Verantwortlichen haben sich vielmehr den Schutz der Verbraucher gegenüber der Versicherungswirtschaft zum Ziel gesetzt. Das ist jedoch grds. nicht zu beanstanden. Zudem ist es sinnvoll, wenn sich an einer solchen Plattform auch Experten aus dem Bereich der Unfallregulierung beteiligen. Dazu gehören neben Fachanwälten auch öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige, die über eine langjährige Erfahrung bei der Erstellung von gerichtlichen Gutachten verfügen. Beiträge von entsprechenden Fachleuten tragen zu einem Austausch auf einem qualifizierten Niveau bei.
Die Besorgnis der Befangenheit ergibt sich nicht aus einer Autorenschaft des Sachverständigen Dipl.-Ing. S. Der Sachverständige Dipl.-Ing. S hat sich nach eigenen Angaben, an denen der Senat nicht zweifelt, bereits vor einiger Zeit zur Vermeidung von Missverständnissen insoweit von dem Internet-Auftritt distanziert, als er dort nicht mehr in hervorgehobener Stellung als Autor tätig ist. Ausweislich des aktuellen Internet-Auftritts wird der Sachverständige Dipl.-Ing. S nicht in der Liste der Autoren genannt. Anhaltspunkte für die Behauptung der Bekl., der Sachverständige sei weiterhin als Autor tätig, sind weder ersichtlich noch glaubhaft gemacht. Aus der früheren Autorenschaft im Jahre 2006 ergibt sich nichts anderes. Gerade der Umstand, dass sich der Sachverständige von dieser Aufgabe wieder hat entbinden lassen, um Missverständnisse zu vermeiden, spricht für sein Bemühen um ein unparteiliches Auftreten.
Anhaltspunkte für ein berechtigtes Misstrauen in die Unparteilichkeit des Sachverständigen Dipl.-Ing. S ergeben sich schließlich nicht daraus, dass der Sachverständige heute noch Kommentare und Stellungnahmen zur Diskussion auf der vorgenannten Plattform einstellt. Allein aus dieser Beteiligung kann aus objektiver Sicht einer vernünftigen Partei noch nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, der Sachverständige Dipl.-Ing. S sei generell nicht mehr in der Lage ist, in einem Rechtsstreit konkrete Beweisfragen unabhängig und unparteilich zu beantworten.
Etwas anders würde nur dann gelten, wenn der Sachverständige Dipl.-Ing. S konkrete Kommentare oder Stellungnahmen einstellen würde, in denen er gegenüber der beklagten Versicherung selbst in abwertender Weise Stellung bezogen hätte, sich in parteilicher Weise in Bezug auf die ihm hier gestellten Beweisfragen geäußert hätte oder allgemeine Bekundungen in pauschaler und nicht mehr zumutbar abwertender Weise betreffend alle Kfz-VR getätigt hätte. Für entsprechende Beiträge fehlen jedoch hinreichende Anhaltspunkte. Der Sachverständige hat betont, er habe keine Beiträge oder Kommentare abgegeben, die als versicherungsfeindlich hätten verstanden werden können. Die Bekl. hat dazu nichts Konkretes vorgetragen. Insb. hat sie nicht dargelegt, dass sich der Sachverständige in einseitiger Form über die Bekl. oder betreffend die vorliegend gestellten Beweisfragen geäußert hat. Die beiden von der Bekl. im Schriftsatz v. 11.11.2014 vorgetragenen Beiträge des Sachverständigen Dipl.-Ing. S sind auch aus Sicht einer Partei als sachorientiert zu bewerten und geben für den konkreten Fall keinen Anlass, an der Unparteilichkeit des Sachverständigen Dipl.-Ing. S zu zweifeln.“
zfs 1/2016, S. 25 - 26