ZPO § 42 § 406 Abs. 1
Leitsatz
Veröffentlichungen eines Sachverständigen auf einer verbraucherfreundlichen Internet-Plattform führen nicht zu einer Besorgnis der Befangenheit, wenn sie weder einen Bezug zu den im Beweisverfahren gestellten Fragen an den Sachverständigen aufweisen und die Kommentare des Sachverständigen auch keine abwertenden Äußerungen über die beklagte Versicherung oder sonstige Kfz-VR enthalten.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Hamm, Beschl. v. 26.2.2015 – 1 W 86/14
Sachverhalt
Ein Sachverständiger wurde in einem Verkehrsunfallprozess mit der Erstellung eines Gutachtens zur Üblichkeit von Tarifen bei der Miete eines Unfallersatzwagens und zur Erforderlichkeit der Reparaturdauer und der Kosten der Endreinigung beauftragt. Die beklagte Haftpflichtversicherung lehnte den Sachverständen wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Zur Begründung führte die Bekl. an, der Sachverständige sei seit 2006 Autor einer Internet-Plattform, die nach eigenen Angaben den Verbraucherschutz fördern und das Regulierungsverhalten der Versicherungen kritisieren möchte. Das Internet-Forum teilte durch ihre Verantwortlichen mit, der Sachverständige habe zu dem Ablehnungsgesuch in der Weise Stellung genommen, dass er in der Vergangenheit mehrfach wegen seiner Autorentätigkeit abgelehnt worden sei. Zwar habe er keine "versicherungsfeindlichen" Beiträge in der Plattform eingestellt, aber zur Vermeidung von Missverständnissen sich von der Tätigkeit im Autorenteam entbinden lassen.
Das Ablehnungsgesuch wurde von dem LG zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen:
" … II. Das LG Bochum hat den Antrag der Bekl. auf Ablehnung des Sachverständigen Dipl.-Ing. S zu Recht zurückgewiesen. Ein Ablehnungsgrund i.S.v. §§ 406, 42 ZPO ist nicht ersichtlich."
1. Ein Sachverständiger kann gem. § 406 Abs. 1 ZPO aus denselben Gründen abgelehnt werden, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen. Daher ist die Ablehnung eines Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit berechtigt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Es muss sich dabei um Tatsachen oder Umstände handeln, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteilich gegenüber. Die Ablehnung des vom Gericht beauftragten Sachverständigen setzt nicht voraus, dass der Sachverständige tatsächlich parteilich ist oder dass das Gericht selbst Zweifel an seiner Unparteilichkeit hat. Für eine Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit genügt vielmehr der bei dem ablehnenden Prozessbeteiligten erweckte Anschein der Parteilichkeit (BGH NJW 1975, 1363). Maßgebend dafür ist aber die objektive Sicht einer vernünftigen Partei.
2. Auf dieser Grundlage sind bei einer verständigen Betrachtung aller Tatsachen und Umstände keine hinreichenden Gründe ersichtlich, die geeignet sind, ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der Sachverständigen Dipl.-Ing. S zu rechtfertigen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Beschlusses.
Richtig ist, dass der Betrieb der Internet-Plattform … nicht unparteilich ist. Die Verantwortlichen haben sich vielmehr den Schutz der Verbraucher gegenüber der Versicherungswirtschaft zum Ziel gesetzt. Das ist jedoch grds. nicht zu beanstanden. Zudem ist es sinnvoll, wenn sich an einer solchen Plattform auch Experten aus dem Bereich der Unfallregulierung beteiligen. Dazu gehören neben Fachanwälten auch öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige, die über eine langjährige Erfahrung bei der Erstellung von gerichtlichen Gutachten verfügen. Beiträge von entsprechenden Fachleuten tragen zu einem Austausch auf einem qualifizierten Niveau bei.
Die Besorgnis der Befangenheit ergibt sich nicht aus einer Autorenschaft des Sachverständigen Dipl.-Ing. S. Der Sachverständige Dipl.-Ing. S hat sich nach eigenen Angaben, an denen der Senat nicht zweifelt, bereits vor einiger Zeit zur Vermeidung von Missverständnissen insoweit von dem Internet-Auftritt distanziert, als er dort nicht mehr in hervorgehobener Stellung als Autor tätig ist. Ausweislich des aktuellen Internet-Auftritts wird der Sachverständige Dipl.-Ing. S nicht in der Liste der Autoren genannt. Anhaltspunkte für die Behauptung der Bekl., der Sachverständige sei weiterhin als Autor tätig, sind weder ersichtlich noch glaubhaft gemacht. Aus der früheren Autorenschaft im Jahre 2006 ergibt sich nichts anderes. Gerade der Umstand, dass sich der Sachverständige von dieser Aufgabe wieder hat entbinden lassen, um Missverständnisse zu vermeiden, spricht für sein Bemühen um ein unparteiliches Auftreten.
Anhaltspunkte für ein berechtigtes Misstrauen in die Unparteilichkeit des Sachverständigen Dipl.-Ing. S ergeben sich schließlich nicht daraus, dass der Sachverständige heute noch Kommentare und Stellungnahmen zur Diskussion auf der vorgenannten Plattform einstellt. Allein aus di...