Leitsatz
Gegenstand des Verfahrens war der Lauf der Frist zur Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit sowie Gründe, aus denen sich eine Besorgnis der Befangenheit ergeben kann.
Sachverhalt
Der Kläger machte mit der Klage Schadensersatzansprüche gegen die beklagte Versicherung aus einem Verkehrsunfall geltend, für dessen Folgen der Fahrer des bei der Beklagten versicherten Kfz unstreitig in vollem Umfang einzustehen hatte. Der Umfang des Schadens - namentlich der auf den Unfall zurückzuführenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers - war streitig. Das LG hat mit Beweisbeschlüssen vom 16.7. und 18.9.2009 die Einholung eines unfallchirurgischen und eines neurologischen Gutachtens angeordnet. Der neurologische Sachverständige hat in seinem Gutachten zur Einschätzung der psychischen Folgen des Unfalls eine zusätzliche psychosomatische Beurteilung empfohlen und erwähnt, es komme als Gutachter Prof. Dr. He. Von der Universität H. in Betracht. Der Oberarzt der Klinik für Unfallchirurgie hat unter Hinweis auf diesen Vorschlag dem LG mitgeteilt, er habe diese Zusatzbegutachtung "in Ihrem Namen und auf Ihre Kosten" in Auftrag gegeben; nach Vorlage des Gutachtens werde dann zur Gesamteinschätzung der Unfallfolgen Stellung genommen. Das LG hat nach Verständigung der Parteien den Oberarzt der Klinik für Unfallchirurgie gebeten, eine psychosomatische Beurteilung durch Prof. Dr. He. Einzuholen und dann die Gesamteinschätzung vorzunehmen. Anstelle des Prof. Dr. He., dem ärztlichen Direktor der Klinik für Psychosomatische und Allgemeine Klinische Medizin der Universität H. hat dann sein Oberarzt, der Sachverständige Dr. Ha., über den Kläger ein psychosomatisches Zusatzgutachten erstattet.
Der Kläger hat dieses Gutachten u.a. deswegen beanstandet, weil seine Angaben "zum Unfall und zum Symptomverlauf" in vielen Punkten unzutreffend wiedergegeben seien. Das Gutachten sei ferner widersprüchlich. Der Kläger hat ferner darauf hingewiesen, dass der Sachverständige Dr. Ha. ohne einen Auftrag des Gerichts ein Gutachten erstattet habe, einen Auftrag habe allein Prof. Dr. He. gehabt, sich aber nicht geäußert.
Der Kläger hat den Sachverständigen Dr. Ha. mit Schriftsatz vom 23.3.2009 wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das Befangenheitsgesuch wurde von dem Einzelrichter mit Beschluss vom 20.5.2009 als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen richtete sich die sofortige Beschwerde des Klägers, die in der Sache Erfolg hatte und zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das LG führte.
Entscheidung
Das LG sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Ablehnung des Sachverständigen rechtzeitig erfolgt sei (§ 406 Abs. 2 S. 1 ZPO). Vor der Ernennung des Sachverständigen Dr. Ha. am 17.3.2009 habe er nicht abgelehnt werden können. Die Ablehnung am 23.3.2009 sei innerhalb der Frist erfolgt.
Das LG führe auch zutreffend aus, dass nach § 406 Abs. 1 S. 2 ZPO ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden könne. Die wiedergegebenen Ausführungen des LG zur Ablehnung eines Sachverständigen seien durchweg in der Sache zutreffend, erschöpften allerdings den Sachverhalt nicht. Der Kläger habe nach Kenntnisnahme des Gutachtens des Dr. Ha. umgehend die im Schriftsatz vom 10.6.2008 aufgelisteten Fehler beanstandet und aufgeführt, ihm sei unerklärlich, dass derartig viele Fehler in dem Sachbericht des Gutachters hätten einfließen können.
Bei der Ablehnung eines Richters werde zwar mit Recht die Auffassung vertreten, sachliche Fehler begründeten nicht ohne weiteres eine Besorgnis der Befangenheit. Anders sei es aber, wenn einem Richter eine Häufung von Verfahrensfehlern zum Nachteil einer Partei zur Last zu legen seien (vgl. etwa Gehrlein, in: MünchKomm zur ZPO, 3. Aufl., § 42 Rz. 31; auch OLG Karlsruhe MDR 1991, 1195; OLG Schleswig NJW 1994, 1227; ebenso Zöller-Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 42 Rz. 24, auch in Fällen "evident mangelnder Sorgfalt").
Bei aller Verschiedenheit der Aufgaben von Richter und Sachverständigem im Zivilprozess und der damit einhergehenden Problematik der Übertragung von Ablehnungsgründen von Richtern auf Sachverständige werde dieser Ablehnungsgrund auch auf einen Sachverständigen zu erstrecken sein, dem vergleichbare Fehler bei Aufnahme und Auswertung des Sachverhalts in für den Probanden auch bei objektiver Sicht der Dinge wichtigen Punkten unterliefen.
Dies sei hier der Fall, wenn man - wie geboten - den Vortrag des Klägers bei der Entscheidung zugrunde lege.
Wie es zu den vom Kläger als fehlerhaft beanstandeten Passagen im Gutachten gekommen sei und ob mangelnde Sorgfalt des Gutachters dafür verantwortlich zu machen sei, sei streitig. Das LG habe die Entstehung des unstreitigen und der angeblichen weiteren Mängel des Gutachtens nicht näher untersucht. Dies werde nunmehr zu klären sein.
Link zur Entscheidung
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 09.11.2009, 14 W 43/09