Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit
Leitsatz (amtlich)
1. Der Lauf der Frist zur Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit beginnt frühestens mit seiner Ernennung, weil zuvor eine Ablehnung nicht möglich ist.
2. Die Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen kann sich daraus ergeben, dass ihm bei Aufnahme und Auswertung des Sachverhaltes in für den Probanden auch bei objektiver Sicht der Dinge wichtigen Punkten Fehler unterlaufen, die in starkem Maße auf mangelnde Sorgfalt deuten.
Normenkette
ZPO § 406
Verfahrensgang
LG Offenburg (Beschluss vom 20.05.2009) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Offenburg vom 20.5.2009 aufgehoben.
Die Sache wird zu anderweitiger Entscheidung über das Befangenheitsgesuch des Klägers gegen den Sachverständigen Dr. Ha. an das LG zurückverwiesen.
Gründe
I. Der Kläger macht mit der Klage Schadensersatzansprüche gegen die beklagte Versicherung aus einem Verkehrsunfall geltend, für dessen Folgen der Fahrer des bei der Beklagten versicherten Kfz. unstreitig in vollem Umfang einzustehen hat. Der Umfang des Schadens, namentlich der auf den Unfall zurückzuführenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers, ist streitig. Das LG hat mit Beweisbeschlüssen vom 16.7. und 18.9.2007 die Einholung eines unfallchirurgischen und eines neurologischen Gutachtens angeordnet. Der neurologische Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 10.3.2008 zur Einschätzung des psychischen Folgen des Unfalls eine zusätzliche psychosomatische Beurteilung empfohlen und erwähnt, es komme als Gutachter Prof. Dr. He. von der Universität H. in Betracht. Der Oberarzt der Klinik für Unfallchirurgie hat unter Hinweis auf diesen Vorschlag dem LG mitgeteilt, er habe diese Zusatzbegutachtung "in Ihrem Namen und auf Ihre Kosten" in Auftrag gegeben; nach Vorlage des Gutachtens werde dann zur Gesamteinschätzung der Unfallfolgen Stellung genommen. Das LG hat nach Verständigung der Parteien den Oberarzt der Klinik für Unfallchirurgie gebeten, eine psychosomatische Beurteilung durch Herrn Prof. Dr. He. einzuholen und dann die Gesamteinschätzung vorzunehmen. Anstelle von Prof. Dr. He., dem Ärztlichen Direktor der Klinik für Psychosomatische u. Allgemeine Klinische Medizin der Universität H. hat dann sein Oberarzt, der Sachverständige Dr. Ha., über den Kläger am 9.5.2008 ein Psychosomatisches Zusatzgutachten erstattet.
Der Kläger hat dieses Gutachten u.a. deshalb beanstandet, weil seine Angaben "zum Unfall und zum Symptomverlauf" in vielen Punkten - nämlich 11 - unzutreffend wiedergegeben worden seien. Das Gutachten sei ferner widersprüchlich. Der Direktor der Klinik für Unfallchirurgie hat mit gutachtlicher Äußerung vom 9.6.2008 ausgeführt, dass in der Gesamteinschätzung der Unfall "weder auf neurologischem noch auch psychosomatischem und unfallchirurgischem Sektor wertige Folgen hinterlassen" habe.
Der Kläger hat in einem weiteren Schriftsatz darauf hingewiesen, dass der Sachverständige Dr. Ha. ohne einen Auftrag des Gerichts ein Gutachten erstattet habe; einen Auftrag habe allein Herr Prof. Dr. He. gehabt, sich aber nicht geäußert. Das vom Gericht in Auftrag gegebene Gutachten liege nicht vor. Auf Nachfrage des Gerichts hat Herr Dr. Ha. dem Gericht mitgeteilt, er habe das Gutachten im Auftrag von Prof. Dr. He. als zuständiger Oberarzt erstattet. Das LG hat daraufhin Dr. Ha. mit Beschluss vom 17.3.2009 zum Sachverständigen bestellt und ihn gebeten, zu den vom Kläger erhobenen Beanstandungen Stellung zu nehmen.
Der Kläger hat den Sachverständigen Dr. Ha. mit Schriftsatz vom 23.3.2009 wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Er hat auf die schon erwähnten 11 Fehler hingewiesen und darauf, dass das Gutachten darüber hinaus nicht nachvollziehbar sei. Der Einzelrichter hat das Befangenheitsgesuch mit Beschluss vom 20.5.2009 als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers.
II. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig (§ 406 Abs. 5 ZPO), namentlich fristgerecht erhoben (1.), und hat auch in der Sache Erfolg (2.). Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das LG (3.).
1. Mit Recht hat das LG angenommen, dass die Ablehnung des Sachverständigen rechtzeitig erfolgt ist (§ 406 Abs. 2 S. 1 ZPO). Vor der Ernennung des Sachverständigen Dr. Ha. am 17.3.2009 konnte er noch nicht abgelehnt werden; die Ablehnung am 23.3.2009 ist innerhalb der Frist erfolgt.
2. Wie das LG zutreffend ausgeführt hat, kann nach § 406 Abs. 1 S. 2 ZPO ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Richtig ist auch, dass eine Ablehnung möglich ist, wenn objektive Umstände oder Tatsachen vorliegen, die vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus bei vernünftiger Betrachtungsweise geeignet sind, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit und Unv...