Nun ist in den letzten Jahren immer wieder von Rechtspolitikern jeglichen politischen Backgrounds eine Ausweitung des Anwendungsbereichs des Fahrverbots gefordert worden. So war etwa schon im Jahre 2008 von der damaligen Bundesjustizministerin Zypries die Umwandlung des Fahrverbots in eine Hauptstrafe angedacht, die dann auch für Taten der allgemeinen Kriminalität greifen sollte. In diesem Jahr nun befasst sich der Arbeitskreis I des Verkehrsgerichtstages mit dem Thema ("Fahrverbot als Nebenstrafe bei allgemeiner Kriminalität?"). Hintergrund ist ein Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums, der die Öffnung der Nebenstrafe Fahrverbot gem. § 44 StGB (und nicht der Maßregel gem. § 69 StGB) für alle Straftaten vorsieht – immerhin wird das Fahrverbot nicht als Hauptstrafe vorgesehen. Eine Beschränkung auf bestimmte Delikte ist dabei nicht vorgesehen. Weiterhin wird in dem Entwurf vorgeschlagen, die Höchstdauer des Fahrverbots im Erwachsenenstrafrecht von drei auf sechs Monate zu verlängern. Die Wellen der Kritik schlagen hoch – teils heißt es, es handele sich um einen "Gesetzentwurf, der einen das Fürchten" lehre.
Vielen Praktikern wird der Ansatz gefallen, die Fahrverbotsfrist so anzupassen, dass keine zeitliche Lücke zu einer Fahrerlaubnisentziehung nebst Sperre besteht. Das klingt tatsächlich aber nur auf den ersten Blick nachvollziehbar und vermittelt den Eindruck, dass ja laienhaft gesprochen Fahrerlaubnisentziehung und Fahrverbot irgendwie dasselbe seien. Alle Verkehrsrechtler wissen natürlich, dass dem nicht so ist. Eine Lücke, die als Begründung oftmals als bestehend behauptet wird, gibt es also nicht. Natürlich darf grundsätzlich mit Recht gefragt werden, ob nicht flexiblere Ahndungen ermöglicht werden sollen. Warum nicht längere Fahrverbote und auch Fahrerlaubnisentziehungen ohne Sperre ermöglichen, damit sofort eine MPU die verwaltungsrechtliche Eignungsprüfung ermöglichen kann?
Der Knackpunkt der beabsichtigten neuen Regeln ist natürlich die Erweiterung des § 44 StGB auf allgemeine Kriminalität. Einher geht die im Allgemeinen akzeptierte Aufgabe des Fahrverbots als Denkzettel- und Erziehungswirkung für Fahrzeugführer. In der Regel wird als Beispiel für den "neuen § 44 StGB" der reiche Steuersünder benannt, der mit normalen Strafen nicht erreichbar sei. Klingt erstmal schön. Aber: Welche Begründung soll hier oder in anderen Fällen eigentlich in tatrichterlichen Urteilen stehen? Soll etwa der Kraftfahrer mit fünf Kindern wegen regelmäßiger Gewalt gegen seine Frau ein Fahrverbot erhalten, weil er damit besonders intensiv zu treffen ist? Soll man dem arbeitslosen Sozialbetrüger seinen Führerschein nehmen, damit er bei zukünftigen Bewerbungen sieht, wie schlecht seine Bewerbungschancen ohne "Fleppe" sind? Oder soll man den kleptomanischen Ladendieb, der für die Pflege seiner gebrechlichen Frau seinen Führerschein benötigt, mit einem saftigen Fahrverbot belegen? Man vermutet schon richtig: Die Begründung derartiger Urteile wäre derart eigenartig und würde in manchen Fällen wenig mitfühlend klingen, so dass in der Praxis neben den Verkehrsdelikten nur die Fallkonstellationen für Fahrverbote denkbar erscheinen, in denen die Fahrverbotswirkung weitgehend ins Leere geht. So wird vielleicht der "klamme" Wiederholungstäter ohne Auto einfach anbieten, aufgrund der Wechselwirkung von Haupt- und Nebenstrafe doch eine milde Geldstrafe festzusetzen und stattdessen ein "deftiges" Fahrverbot zu verhängen. Auch besonders Reiche, die eher für vielleicht einen Monat auf einen Fahrer zurückgreifen können, könnten auf die Idee kommen, die Tagessatzzahl hierdurch empfindlich zu drücken und sogar wirtschaftlich besser als durch die Hauptstrafe allein dazustehen.
Abgesehen davon ist ein Dammbruch in der Rechtspolitik zu befürchten: Verlegt sich der Staat einmal auf die Möglichkeit, durch den Entzug/die Suspendierung bestimmter Rechtspositionen zu strafen, so sind Tür und Tor für weitere Phantasien geöffnet: Jegliche staatlich verliehene Rechtsposition kann in Zukunft zur Disposition stehen, weil bestimmte Tätergruppen "anders nicht zu erreichen" scheinen. Als erstes wäre etwa zu denken an eine Erweiterung von Berufsverboten auch als Sanktion für Straftaten, die gar nichts mit dem Beruf zu tun haben. Natürlich zuckt es in jedem Leser dieser Zeilen reflexartig auf: Würde hier nicht gegen das Grundgesetz verstoßen? Man sieht, in welch eigenartige Fahrwasser man sich hier (ohne Grund) begibt. Es bleibt so zu hoffen, dass der Verkehrsgerichtstag die beabsichtigte Ausweitung des § 44 StGB ablehnt und die Politik dies erhört.
Autor: Richter am Amtsgericht Carsten Krumm , Dortmund
zfs 1/2017, S. 4 - 8