"Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das für die Prüfung des Senats maßgebliche Beschwerdevorbringen zeigt keine Gründe auf, aus denen die angegriffene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben wäre (vgl. § 146 Abs. 4 S. 3 und 6 VwGO)."
Der ASt. wendet sich gegen die nach § 4 Abs. 9 StVG sofort vollziehbare Entziehung seiner Fahrerlaubnis. Das VG hat die auf § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 i.V.m. Abs. 4 S. 3 VwGO gestützte Interessenabwägung im Wesentlichen damit begründet, dass sich die angefochtene Fahrerlaubnisentziehung nach der im Eilverfahren gebotenen Prüfungstiefe als rechtmäßig darstelle. Die Fahrerlaubnisbehörde habe die Maßnahmestufen nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 und 2 StVG (Ermahnung und Verwarnung) ordnungsgemäß durchgeführt, ohne dass der ASt. eine weitere Punktereduzierung beanspruchen könne. Er habe insgesamt zehn Punkte nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem erreicht – was die Beschwerde rechnerisch nicht beanstandet –, weshalb die Fahrerlaubnis gem. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG zu entziehen gewesen sei.
Der ASt. macht mit seiner Beschwerde geltend, dass die nach den ersten beiden Stufen des § 4 Abs. 5 S. 1 StVG zu ergreifenden Maßnahmen nicht ordnungsgemäß durchlaufen worden seien, weshalb er eine weitere Punktereduzierung beanspruchen könne. Im Einzelnen:
1. Die Fahrerlaubnisbehörde hätte eine weitere Verringerung des Punktestands gem. § 4 Abs. 6 S. 3 Nr. 2 StVG auf sieben Punkte vornehmen müssen. Die Frage, ob eine solche Reduzierung eintrete, wenn zum Zeitpunkt des Ergreifens einer Maßnahme des Stufenkatalogs nach § 4 Abs. 5 S. 1 StVG noch ein weiterer Verstoß im Fahreignungsregister eingetragen sei, der zu einer Einstufung in eine höhere Stufe führen würde, der Fahrerlaubnisbehörde aber noch nicht bekannt sei, sei grds. klärungsbedürftig, wie die Zulassung der Revision im Urt. des VGH München v. 11.8.2015 – 11 BV 15.909 – (juris) [= zfs 2015, 654] zeige. Die Regelung des § 4 Abs. 6 S. 4 StVG sei verfassungswidrig. Der Zeitpunkt der Kenntnis der Fahrerlaubnisbehörde hänge von reiner Zufälligkeit oder Willkür der Mitarbeiter dreier Behörden (Bußgeldstelle bzw. Strafgericht, Fahreignungsregister und Fahrerlaubnisbehörde) ab, ohne dass der Betroffene hierauf Einfluss oder hiervon Kenntnis habe. Zum Zeitpunkt der Verwarnung am 5.11.2015 seien für den ASt. bereits zehn Punkte rechtskräftig geworden, so dass der Punktestand gem. § 4 Abs. 6 S. 3 Ziffer 2 StVG auf sieben Punkte zu reduzieren und die Fahrerlaubnis nicht zu entziehen gewesen wäre.
2. Sofern von der Verfassungsmäßigkeit der Regelung in § 4 Abs. 6 S. 4 StVG auszugehen wäre, handele es sich um eine gesetzlich vorgesehene Abkehr vom bisher durchgeführten Tattagsprinzip, die konsequenter Weise auch beim Durchlaufen der ersten Maßnahmestufe des § 4 Abs. 5 S. 1 StVG hätte angewendet werden müssen, da es hier nach der Ermahnung v. 8.1.2015 zu Tilgungen von Eintragungen im Fahreignungsregister und damit zu einer Unterschreitung der Schwelle des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 StVG (auf drei Punkte) und anschließend durch weitere (vor der Tilgung begangene, aber der Behörde erst nachträglich bekannt gewordene) Verkehrsverstöße wieder zu einem Anstieg über die vorgenannte Punkteschwelle gekommen sei. Daher hätte erneut eine Ermahnung ausgesprochen werden müssen, was nicht erfolgt sei.
All dies greift nicht durch.
ad 1. Die auf der Reform des früheren Punktsystems für mehrfach auffällige Kraftfahrer in § 4 StVG (nunmehr ab 1.5.2014: Fahreignungs-Bewertungssystem) durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des StVG und anderer Gesetze v. 28.8.2013 (BGBl I S. 3313), in der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes v. 28.11.2014 (BGBl I S. 1802), beruhende Fahrerlaubnisentziehung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Hierzu hat der beschließende Senat im Beschl. v. 31.8.2015 – OVG 1 S 25.15 – bereits das Folgende ausgeführt:
“ … nach der st. Rspr. des BVerfG begegnet die Anordnung der Rückwirkung einer Rechtsnorm dann keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sie durch zwingende Gründe des gemeinen Wohls gefordert ist, wenn die rückwirkende Norm eine unklare Rechtslage bereinigt, wenn die betroffene Rechtsstellung einen Vertrauensschutz nicht genießt oder wenn ein Vertrauen auf ihren Fortbestand nicht begründet war (vgl. bereits BVerfG, Beschl. v. 8.6.1977 – 2 BvR 499/74 u.a. – BVerfGE 45, 142 ff. <167 f.>, juris Rn 83 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit der Ergänzung in § 4 Abs. 5 S. 6 StVG (n.F.), wonach bei “der Berechnung des Punktestands ( … ) Zuwiderhandlungen 1. unabhängig davon berücksichtigt (werden), ob nach deren Begehung bereits Maßnahmen ergriffen worden sind … ’, und der Neufassung des Abs. 6 S. 4 StVG, wonach “Punkte für Zuwiderhandlungen, die vor der Verringerung nach S. 3 begangen worden sind und von denen die nach Landesrecht zuständige Behörde erst nach der Verringerung Kenntnis erhält, … den sich nach S. 3 ergebenden Punktestand’ erhöhen, eine ab dem 1.5.2014 offenbar bestehende unklare Rechtslage bereinigen wollt...