Die zutreffende Entscheidung des OLG hat über die Vergütung in Eilverfahren hinaus grundsätzliche praktische Bedeutung für alle die Sachverhalte, in denen demselben Rechtsanwalt hinsichtlich desselben Sachverhalts eine Geschäftsgebühr und nacheinander mehrere Verfahrensgebühren entstehen. Das kann nach außergerichtlicher Vertretung beispielsweise für den Verfahrens-/Prozessbevollmächtigten im Mahnverfahren und dem nachfolgenden Streitverfahren oder im selbstständigen Beweisverfahren und im anschließenden Hauptsacheprozess der Fall sein.
I. Angefallene Gebühren
Der Prozessbevollmächtigte des ASt. war hier in insgesamt drei verschiedenen gebührenrechtlichen Angelegenheiten tätig.
1. Abmahnung
Der Rechtsanwalt hatte von dem ASt. offensichtlich zunächst im Rahmen eines Vertretungsmandates den Auftrag erhalten, den AG (wohl) wegen eines Unterlassungsanspruchs vorgerichtlich abzumahnen. Dies löst eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG aus, die bei durchschnittlichen Umständen und nicht umfangreicher oder schwieriger Anwaltstätigkeit mit einem Satz von 1,3 berechnet werden kann. Von dieser Fallgestaltung ist hier das OLG Hamburg ausgegangen.
Der ASt. hätte seinem Anwalt jedoch auch sogleich den unbedingten Auftrag erteilen können, eine einstweilige Verfügung zu erwirken. Dann hätte die vorherige Abmahnung gem. § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 RVG zum Rechtszug gehört und wäre durch die im Verfügungsverfahren angefallene Verfahrensgebühr mit abgegolten.
2. Einstweilige Verfügung
Sodann hat der ASt. seinen Anwalt auch mit der Vertretung im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beauftragt. Das Einreichen des Antrags auf Erlass der einstweiligen Verfügung hat nach Nr. 3100 VV RVG die 1,3 Verfahrensgebühr ausgelöst. Wenn der AG gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch eingelegt hätte, hätte die weitere Tätigkeit im Widerspruchsverfahren gem. § 16 Nr. 5 RVG zur selben Angelegenheit gehört. Für seine gesamte Tätigkeit im Verfügungs- und im Widerspruchsverfahren wäre dem Anwalt dann nur eine einzige Verfahrensgebühr angefallen.
Soweit der Rechtsanwalt dann den ASt. in einem Verhandlungstermin vertreten hätte, wäre ihm nach Nr. 3104 VV RVG eine 1,2 Terminsgebühr entstanden.
3. Hauptsacheverfahren
Für das Einreichen der Klageschrift ist dem Prozessbevollmächtigten des ASt. und nunmehrigen Klägers eine weitere 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG nach dem Gegenstandswert der Hauptsache angefallen. Die Vertretung in dem Verhandlungstermin im Hauptsacheverfahren löst außerdem eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG aus.
II. Anrechnung
Nach Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG und § 15a Abs. 1 RVG ist die für die Abmahnung angefallene 1,3 Geschäftsgebühr zur Hälfte auf die im gerichtlichen Verfahren angefallene Verfahrensgebühr anzurechnen. Vorliegend hat der Rechtsanwalt für den ASt. nacheinander jedoch zwei gerichtliche Verfahren betrieben, nämlich das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung und das Hauptsacheverfahren. Auf welche der beiden in jenen Verfahren angefallenen Verfahrensgebühren die (teilweise) Anrechnung der Geschäftsgebühr zu erfolgen hat, regelt das Gesetz nicht. In der Rechtsprechung besteht lediglich Einigkeit darüber, dass die Geschäftsgebühr entweder im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung (siehe BGH RVGreport 2008, 470 [Hansens]; OLG Frankfurt RVGreport 2008, 314 [ders.] = AGS 2008, 442 mit Anm. N. Schneider; KG RVGreport 2009, 28 [Hansens]) oder im Hauptsacheverfahren anzurechnen ist (OLG Hamburg WRP 1981, 470 = MDR 1981, 944 für § 118 Abs. 2 BRAGO). Sämtliche Tätigkeiten des Rechtsanwalts betreffen nämlich denselben Gegenstand. Gegenstand der Abmahnung ist ebenso wie der Gegenstand eines anschließenden Verfügungs- und Hauptsacheverfahrens der Unterlassungsanspruch (BGH RVGreport 2008, 479 [Hansens]).
Kommt die (teilweise) Anrechnung der Geschäftsgebühr auf mehrere nacheinander in verschiedenen gerichtlichen Verfahren angefallene Verfahrensgebühren in Betracht, so hat der Rechtsanwalt grundsätzlich die Wahl, auf welche Gebühr er die Teilanrechnung vornehmen will. Hier hatte der ASt. wohl die teilweise Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die im Hauptsacheverfahren entstandene Verfahrensgebühr vorgenommen, so dass ihm das LG nur die um den Anrechnungsbetrag verminderte 0,65 Geschäftsgebühr als materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch zugesprochen hat.
III. Kostenerstattung
1. Erstattung der Geschäftsgebühr
Die für die Abmahnung entstandene Geschäftsgebühr kann im Kostenfestsetzungsverfahren nicht berücksichtigt werden, weil diese nicht zu den Kosten des Rechtsstreits i.S.v. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO gehört (BGH RVGreport 2006, 72 [Hansens] = AGS 2006, 146; BGH RVGreport 2008, 470 [ders.]). Jedoch kann insoweit ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch geltend gemacht werden, etwa nach den Vorschriften des § 12 Abs. 1 S. 2 UWG und der §§ 677, 683, 670 BGB.
2. Anrechnung der Geschäftsgebühr
Der Dritte – hier der AG – kann sich im Kostenfestsetzungsverfahren auf die (teilweise) An...