Schäden durch "Marderbiss" sind ein finanziell gewiss überschaubares Phänomen. Ihre Regulierung ist es rechtlich offenbar nicht. Sie veranschaulichen allerdings ein verallgemeinerungsfähiges Phänomen: Die Entwicklung der modernen Reparaturtechnik führt dazu, dass nicht mehr die konkrete Substanzeinbuße ausgeglichen wird – ein defektes Kabel wird durch ein intaktes ersetzt –, sondern dass "Baugruppen" ausgetauscht werden, die versicherte beschädigte und nicht versicherte unbeschädigte Bestandteile eines Kraftfahrzeugs miteinander – reparaturtechnisch oder reparaturökonomisch untrennbar – verbinden. Das verlangt versicherungsvertragsrechtlich, mit allem Respekt vor dem Versicherungsombudsmann und dem AG Hannover, eine recht grundlegende Unterscheidung in Erinnerung zu rufen: jene des Versicherungsfalls von jener der Entschädigungspflicht, vereinfacht, jene der "Haftungsbegründung" von jener der "Haftungsausfüllung".
Zernagt ein Marder ein Kabel, ist der Versicherungsfall (wenn die AVB das vorsehen) eingetreten. "Folgeschäden", also Schäden an anderen Rechtsgütern als jenem des Eigentums am Kabel, werden nach den Bedingungen nicht ersetzt. Daher hat ein Versicherungsnehmer keine Chance, der von seinem Versicherer verlangt, den Schaden zu ersetzen, der vermittelt durch die marderische Gefräßigkeit an anderen Rechtsgütern eingetreten ist – dem Vermögen des Versicherungsnehmer wegen der durch den Ausfall des Kfz eingetretenen Verspätungen, etwaigen Kurzschlüssen im System des Kfz. Bedenken gegen die Wirksamkeit einer solchen primären Risikobeschränkung bestehen selbstverständlich nicht.
Zu ersetzen sind, ist das Kabel angenagt oder in Teilen verspeist, allerdings nach § 13 Abs. 5 AKB die erforderlichen Kosten der Instandsetzung. Ist eine Instandsetzung objektiv nur möglich, wenn eine Baugruppe ersetzt wird – weil die Reparateure keine separaten intakten Kabel mehr vorhalten –, so steht jedoch außer Frage, dass genau das, die Kosten einer Auswechselung der Baugruppe, die die Zerstörung durch Marderbiss restituiert, auch den Umfang der Entschädigungspflicht des Versicherers ausmacht.
Im Ergebnis, mit allem Respekt: Zittau hat Recht, der Versicherungsombudsmann und Hannover verkennen die erforderliche Differenzierung zwischen dem Versicherungsfall und dem aus ihm folgenden möglichen Umfang der Entschädigungspflicht.
Die Ausführungen des Versicherungsombudsmanns, unterstellt man, es wäre ihnen zu folgen, machen jedoch einen weiteren verbraucherschutzrelevanten Hinweis erforderlich. Werden AVB der technischen Entwicklung des versicherten Risikos nicht mehr gerecht, so dürfen Versicherer dem nicht tatenlos zuschauen. Der BGH hat schon vor vielen Jahren darauf hingewiesen, dass technische Veränderungen, die zu einer Aushöhlung des Versicherungsschutzes führen, Anlass zu beratenden Hinweisen des Versicherers – und bei deren Unterlassen, Grundlagen einer Schadensersatzpflicht – sein können (BGH VersR 1979, 345).
Im Ergebnis spricht also viel dafür, dem AG Zittau ein gutes Judiz zuzuerkennen.
Prof. Dr. Rixecker