BGB § 130
Leitsatz
Eine Kündigungserklärung geht dem Versicherer bei Übermittlung durch Telefax zu, wenn sein Empfangsgerät die gesendeten technischen Signale vollständig gespeichert hat.
OLG Karlsruhe, Urt. v. 30.9.2008 – 12 U 65/08
Sachverhalt
Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Zahlung von Krankenversicherungsbeiträgen für den Zeitraum vom 1.4.2007 bis 31.12.2007 aus einer zum 1.6.2003 genommenen Krankenversicherung.
Der Beklagte nahm zum 1.1.2007 eine Tätigkeit als Angestellter auf und wurde dadurch pflichtversichertes Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse. Er trägt vor, den Versicherungsvertrag durch Telefaxschreiben vom 17.12.2006 unter Hinweis auf seine zum 1.1.2007 eintretende gesetzliche Krankenversicherungspflicht "mit sofortiger Wirkung" gekündigt zu haben. Die Klägerin stellt den Zugang des Telefaxschreibens in Abrede.
Aus den Gründen
“ … Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet und führt zur Abweisung der Klage. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
1. Der Beklagte hat den bestehenden Versicherungsvertrag wirksam durch Telefaxschreiben vom 17.12.2006 gekündigt. Entgegen der Vorinstanz ist der Senat – sachverständig beraten – davon überzeugt, dass das Telefaxschreiben vom 17.12.2006 der Klägerin am 18.12.2006 gegen 1.46 Uhr zugegangen ist. Dabei lässt der Senat offen, ob es am Empfangsgerät der Klägerin zu einem Ausdruck des Schreibens gekommen ist.
a) Der BGH hatte in seiner früheren Rspr. mehrfach ausgesprochen, dass ein durch Telefax übermittelter Schriftsatz grundsätzlich erst in dem Zeitpunkt bei Gericht eingegangen ist, in welchem das Telefaxgerät des Gerichts ihn vollständig ausgedruckt hat (vgl. BGH NJW 1995, 665 unter II 3b bb aaa; NJW 1994, 2097 unter II 2; NJW 1994, 1881 unter II 2a; VersR 1991, 894 unter 2b). Diese den technischen Gegebenheiten der Telekommunikation nicht mehr gerecht werdende Auffassung hat der BGH jedoch inzwischen aufgegeben. Für den Eingang eines per Telefax übermittelten Dokuments stellt er nunmehr auf den vollständigen Empfang (Speicherung) der gesendeten technischen Signale im Telefaxgerät des Gerichts ab (BGHZ 167, 214, 219 f., 223).
b) Es liegt nicht fern, diese Grundsätze auch auf die Zugangsproblematik im Privatrechtsverkehr zu übertragen (vgl. BGH NJW 1995, 665). Dem folgt der Senat zumindest dann, wenn es sich beim Empfänger wie hier um eine Aktiengesellschaft handelt, die zu den Kaufleuten zählt (§§ 1, 6 HGB, 3 Abs. 1 AktG). Zumindest ihnen ist im geschäftlichen Verkehr ein Signalzugang als Zugang i.S.d. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB jedenfalls dann zuzurechnen, wenn wie hier konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ein (ordnungsgemäßer) Ausdruck des Schreibens aus von der Klägerin nicht zu vertretenden Gründen gescheitert sein könnte, weder vorgetragen noch ersichtlich sind. Denn damit ist das Telefaxschreiben – entsprechend den allgemeinen Grundsätzen (vgl. nur Palandt/Heinrichs/Ellenberger, BGB, 67. Aufl. 2008, § 130 Rn 5) – so in ihren Empfangsbereich gelangt, dass sie die Möglichkeit hatte, vom Inhalt der enthaltenen Willenserklärung Kenntnis zu nehmen.
c) Die Überzeugung dafür, dass der Beklagte das Kündigungsschreiben vom 17.12.2006 an die Klägerin gesendet hat und die gesendeten technischen Signale am 18.12.2006 gegen 1.46 Uhr vollständig im Telefaxgerät der Klägerin angekommen sind, hat der Senat kumulativ anhand der Aussage der Zeugin H, des “OK’-Vermerks auf dem zugehörigen Sendebericht und den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen W in seinem Gutachten vom 1.9.2008 gewonnen.
Die Zeugin H hat zur Überzeugung des Senats bestätigt, dass der Beklagte das – in Ablichtung in der mündlichen Verhandlung vor dem LG am 18.12.2007 zur Akte gegebene – Kündigungsschreiben von ihrem Telefaxanschluss aus versandt hat. …
Das Vorliegen eines “OK’-Vermerks im Sendebericht belegt das Zustandekommen der Verbindung (BGH MDR 1996, 99 (Leitsatz 2) und in juris unter Tz. 8). Infolgedessen steht auf Grund des vom Beklagten vorgelegten Sendeprotokolls fest, dass zwischen dem von ihm benutzten Telefaxgerät der Zeugin H und dem von ihm angewählten Telefaxgerät der Klägerin am 18.12.2006 zwischen 1.45 Uhr und 1.46 Uhr eine Leitungsverbindung bestanden hat.
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Übermittlung der Telefaxnachricht trotz Vorliegens eines Sendeberichts mit “OK’-Vermerk an Leitungsstörungen, die zum Abbruch der Verbindung geführt haben könnten und die nach dem Grundgedanken des § 120 BGB in den Risikobereich des Beklagten gefallen wären (vgl. OLG Brandenburg, Urt. v. 5.3.2008 – 4 U 132/07 – veröffentlicht in juris – unter Tz. 22), gescheitert sein könnte, bewertet der Sachverständige W mit 0 %. Diesem eindeutigen Ergebnis schließt sich der Senat an. Auf Grund des Ablaufs der Kommunikation bei den hier verwendeten Geräten kann bei einem “OK’-Vermerk generell davon ausgegangen werden, dass die Faxübertragung im Speicher des empfangenden Geräts angekommen ist. In Anbetracht dessen, dass die vom Sachverständigen realitätsgerecht nachgestellte Übertragung des Kündigungsschreibens vom 17.12.2006 per Tele...