Kollisionen finden im Skisport häufig bei kreuzenden Fahrbewegungen statt. So ist es in der Praxis oft schwierig zu klären, welcher der Kollisionspartner im Verhältnis zum anderen der von hinten kommende i.S.d. FIS-Regel 3 gewesen ist. Meist behaupten beide, der andere müsse von hinten gekommen sein, weil er ihn vor dem Zusammenstoß überhaupt nicht oder erst so spät gesehen habe, dass er nicht mehr habe ausweichen können.
Der klagende Skifahrer trägt die volle Beweislast für die Verwirklichung des Tatbestandes einer unerlaubten Handlung ebenso wie für das vorliegen eines Verschuldens des Beklagten. Der Kläger hat demnach einen Verstoß gegen die FIS-Regeln nachzuweisen.
Die Grundsätze des Anscheinsbeweises kommen dem klagenden Skifahrer bei der Beweisführung grundsätzlich nicht zu Gute. Voraussetzung des Anscheinbeweises ist das Vorliegen einer typischen, d.h. immer wieder vorkommenden Gefahrensituation, die den Schluss auf das Verschulden eines der Unfallbeteiligten erlaubt. In diesem Fall ist es dann Sache des Beklagten, zur Erschütterung dieser Prima-Facie-Vermutung Tatsachen zu beweisen (z.B. Unvorhersehbarkeit des plötzlichen Fahrmanövers), aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen, atypischen Geschehensablaufs ergibt.
Der Zusammenstoß zweier Wintersportler ist nicht typischerweise durch das Verhalten eines von ihnen, insbesondere des sich von hinten nähernden, verschuldet. Denkbar ist eine Vielzahl anderer Ursachen, etwa eine abrupte Änderung der Laufrichtung durch den Vordermann, oder der Zwang, einem Dritten ausweichen zu müssen, ein unverschuldetes Straucheln oder der Umstand, dass der Hintermann seinerseits angerempelt wurde.
Trotzdem werden gerade im Anwendungsbereich der FIS-Regel 3 sowie bei einem unaufklärbarem Skiunfall zugunsten des Geschädigten die Grundsätze über den Beweis des ersten Anscheins angenommen.
Im Rahmen der FIS-Regel 3 reicht – nach einem Urteil des LG Bayreuth – im Allgemeinen die Feststellung aus, dass der Haftende von oben kam und den Vorrang des vor ihm fahrenden Skifahrers zu beachten hat; einer genauen Klärung des Unfallhergangs im einzelnen Bedarf es nicht.
FIS-Regel 3 und 4 seien dadurch bedingt, dass der Skifahrer während seiner Abfahrt auf die vor ihm liegende Strecke schaut und für die Wahl einer gefahrlosen Spur verpflichtet sei, sowohl das unmittelbar vor ihm liegende, als auch das weitere Gelände zu beobachten.
Damit wendet das Gericht die Grundsätze des Anscheinbeweises an: Ist nämlich bewiesen, dass bei einer Kollision zwischen Skifahrern der eine Beteiligte von oben gekommen ist, so spricht der Anschein für eine schuldhafte Verursachung des Unfalls durch diesen. Es handelt sich hier nach Auffassung des LG Bayreuth um einen typischen Geschehensablauf.
Nach einer Entscheidung des LG Ravensburg spricht der Beweis des ersten Anscheins für einen schuldhaften Verstoß des von hinten Kommenden gegen FIS-Regeln Nr. 3 und Nr. 4, wenn ein von hinten kommender schnellerer Skifahrer an einem langsameren Skifahrer vorbeifahren will und es dann wegen eines Seitwärtsschwunges des langsameren Skifahrers zur Kollision kommt.
In diesem Sinne stellte auch das OLG Frankfurt/M zur Beweisfrage fest, dass der Sturz eines Skifahrers "prima facie" ergäbe, dass er seine Geschwindigkeit nicht beherrscht hat.
Das LG Bonn hat bei einer Kollision zwischen Skifahrer und Snowboarder, deren Einzelheiten nicht aufgeklärt werden konnten, eine widerlegliche Vermutung dafür angenommen, dass beide Fahrer im konkreten Fall gegen die FIS-Regel 1 und 2 verstoßen haben, weshalb eine Schadenteilung vorzunehmen sei.
Diese Annahme ist mit den Grundsätzen zur Beweislast nicht vereinbar. Bei einer deliktsrechtlichen Haftung ist anerkannt, dass der Geschädigte für das Verschulden des Schädigers die Beweislast trägt. An dem Erfordernis eines Nachweises eines Sorgfaltsverstoßes ändern auch die FIS-Regeln nichts. Kann der Geschädigte den Schaden nicht nachweisen, hat er ihn in vollem Umfang selbst zu tragen.