AKB 2008 E.1.3 S. 2; VVG § 28 Abs. 2, 3
Ein versicherter Fahrer handelt arglistig i.S.v. § 28 Abs. 3 S. 1, wenn er sich beim Entfernen vom Unfallort bewusst ist, dass sein Verhalten die Schadensregulierung möglicherweise beeinflussen kann.
(Leitsatz der Schriftleitung)
LG Saarbrücken, Urt. v. 1.10.2010 – 13 S 75/01
Der Bekl. kollidierte am 12.1.2009 bei dem Versuch, mit dem bei der Kl. versicherten Fahrzeug seines Arbeitgebers einzuparken, mit einem abgestellten Pkw. Daraufhin brach er den Parkversuch ab und fuhr weiter, kehrte wenig später zurück, wurde auf den Anstoß, der er nicht bemerkt haben will, aufmerksam gemacht und erkannte bei dem abgestellten Pkw eine leichte Eindellung. Da sich sonst niemand mehr an der Unfallstelle aufhielt, meldete er das Geschehen seinem Arbeitgeber, der allerdings bereits von dem Geschädigten unterrichtet worden war. Am nächsten Tag setzte er sich mit dem Geschädigten in Verbindung. Die Kl. ersetzte dem Geschädigten den Schaden (2.505 EUR) und nimmt i.H.v. 2.500 EUR Regress.
Aus den Gründen:
“Der Kl. steht gegen den Bekl. ein Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 2 S. 1 BGB im begehrten Umfang zu, da sie im Gesamtschuldverhältnis der Parteien (§ 115 VVG) den Haftpflichtschaden des Geschädigten vollständig reguliert hat, obwohl sie im Innenverhältnis zum Bekl. nach § 28 Abs. 2, 3 VVG nF. leistungsfrei war.
a) Nach § 28 Abs. 2 S. 1 VVG nF. ist der Versicherer leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer eine vertragliche Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat. Dies hat das AG im Ergebnis zutreffend bejaht. Dabei kann dahinstehen, ob dem Verhalten des Bekl. strafrechtliche Bedeutung nach § 142 StGB zukommt, wie das AG angenommen hat. Denn der Bekl. hat jedenfalls vorsätzlich gegen eine vertragliche Aufklärungspflicht aus dem Versicherungsvertrag verstoßen.
aa) Nr. E.1.3 S. 2 AKB 2008 begründet im Falle eines Schadensereignisses eine Obliegenheit, den Unfallort nicht zu verlassen, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen. Diese versicherungsrechtliche Wartepflicht besteht unabhängig von einer strafrechtlichen Verpflichtung (vgl. Prölss/Martin/Knappmann, VVG, 28. Aufl., AKB 2008 E.1 Rn 21). Die Vorschrift findet hier Anwendung, da die AKB 2008 zum Gegenstand des Versicherungsvertrages gemacht worden sind, wie von der Kl. unter Vorlage einer Kopie des Vertragstrailers und der Versicherungsbedingungen unwidersprochen vorgetragen worden ist. Der Bekl. war auch persönlich zur Beachtung dieser Obliegenheit verpflichtet, da der berechtigte Fahrer des versicherten Fahrzeugs in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung mitversichert ist (Nr. A.1.2 AKB 2008) und für den mitversicherten Fahrer die Regelungen über die Pflichten des Versicherungsnehmers sinngemäße Anwendung finden (Nr. F.1 AKB 2008). Der Bekl. hat die ihm obliegende Wartepflicht verletzt, da er den Unfallort verlassen hat, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen, wie das AG zutreffend ausgeführt hat. Das wird auch von dem Bekl. selbst nicht in Abrede gestellt.
bb) Der Bekl. hat entgegen seiner Auffassung auch vorsätzlich i.S.d. § 28 Abs. 2 VVG nF. gehandelt. Vorsatz erfordert das Wollen der Obliegenheitsverletzung im Bewusstsein des Vorhandenseins der Verhaltensnorm und umfasst auch bedingten Vorsatz, der entsprechend den allg. Regeln gegeben ist, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheitsverletzung für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, also nicht ernsthaft darauf vertraut, dass der Erfolg ausbleibt. Der Versicherer muss den Vorsatz beweisen. Das Gebot, nach einem Verkehrsunfall die Unfallaufnahme durch die Polizei an Ort und Stelle abzuwarten, stellt eine elementare, allg. und jedem Kraftfahrer bekannte Pflicht dar (vgl. BGH VersR 2000, 222). Spätestens nachdem ihn die am Unfallort anwesenden Jugendlichen unmissverständlich und ernsthaft auf den Unfall aufmerksam gemacht hatten, wusste der Bekl., dass ein Schadensereignis vorlag, das ihn zum Abwarten verpflichtete. Dies gilt insb. vor dem Hintergrund, dass er nach seinem eigenen Vortrag sogar selbst eine Beschädigung am dort abgestellten Fahrzeug festgestellt hat. Der Bekl. hat unter diesen Umständen durch sein Verlassen der Unfallstelle, ohne weitere Feststellungen zu ermöglichen, die Verletzung seiner Wartepflicht zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen, also bedingt vorsätzlich gehandelt. Dass er selbst nach dem eindeutigen Hinweis auf das Schadensereignis eine eigene Schadensverursachung ausgeschlossen haben soll, so wie er im Prozess behauptet hat, vermag die Kammer nicht nachzuvollziehen. Würde dies zutreffen, wäre seine Einlassung, dass er nach der Rückkehr zu seinem Arbeitgeber diesem von dem Vorfall berichtet habe, nur schwer verständlich. Vielmehr ist die Kammer davon überzeugt, dass er seinen Arbeitgeber gerade informiert hat, weil er zumindest ein Schadensereignis für möglich gehalten hat. Auf die Frage, ob er zuvor die eigentliche Kollision bemerkt hat, kommt es danach nicht mehr an.
b) Soweit das AG davon ausgegang...