EG ZPO § 15a; BadWürttSchlHG § 1 Abs. 1 S. 1
Wird der im Mahnverfahren nur gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer geltend gemachte Anspruch mit der Anspruchsbegründung im Klageverfahren auf den Versicherungsnehmer erweitert, ist die gegen diesen erhobene Klage als unzulässig abzuweisen, wenn vor der Parteierweiterung das grds. erforderliche Schlichtungsverfahren nicht durchgeführt worden ist.
BGH, Urt. v. 13.7.2010 – VI ZR 11/09
Der Kl. nimmt die Bekl. auf Schadensersatz in Anspruch, weil die Bekl. zu 2) mit ihrem bei der Bekl. zu 1) haftpflichtversicherten Pkw am 14.8.2007 beim Einparken den ordnungsgemäß geparkten Pkw des Kl. beschädigt habe.
Der Kl. hat am 15.10.2007 gegen die Bekl. zu 1) den Erlass eines Mahnbescheids über 387,30 EUR nebst Zinsen beantragt, der antragsgemäß erlassen worden ist. In der Anspruchsbegründung vom 13.12.2007 hat der Kl. die Klage gegen die Bekl. zu 2) erweitert, ohne vorher ein Schlichtungsverfahren durchzuführen.
Das AG hat die Klage gegen die Bekl. zu 2) durch Teilurteil als unzulässig abgewiesen und die Berufung zugelassen. Das Berufungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Kl. zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt dieser die Zurückverweisung an das AG.
Aus den Gründen:
[4] “I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Klage gegen die Bekl. zu 2) unzulässig, weil vor Erhebung der Klage weder ein Streitschlichtungsverfahren zwischen dem Kl. und der Bekl. zu 2) stattgefunden habe noch ein Mahnverfahren vorausgegangen sei (§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 5, Abs. 3 des baden-württembergischen Gesetzes zur obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung vom 28.6.2000 – SchlG BW, GBl 2000, 470).
[5] Die Durchführung der Streitschlichtung sei nicht deshalb entbehrlich, weil der Kl. zunächst ein Mahnverfahren gegen die mit der Bekl. zu 2) gesamtschuldnerisch haftende Bekl. zu 1) durchgeführt und die Klage gegen die Bekl. zu 2) erst mit der Anspruchsbegründung im Wege der Klageerweiterung erhoben habe. Bei der vorliegenden einfachen Streitgenossenschaft müssten die Prozessvoraussetzungen jeweils gegenüber jedem Streitgenossen vorliegen. Dies sei bei der Bekl. zu 2) wegen der nicht durchgeführten obligatorischen Streitschlichtung nicht der Fall.
[6] Es bestehe keine Veranlassung, die im Rahmen eines Verkehrsunfalls haftenden Parteien prozessual abweichend von anderen gesamtschuldnerisch haftenden Parteien zu behandeln. Weder der Gesichtspunkt der Regulierungsbefugnis der Bekl. zu 1) und deren Befugnis zur Prozessführung vor den Gerichten noch der Umstand, dass die Bekl. zu 2) nicht befugt sei, im Verhältnis gegenüber dem Haftpflichtversicherer eigene Regulierungstätigkeiten vorzunehmen oder für diesen rechtsverbindliche Erklärungen abzugeben, rechtfertige eine abweichende Bewertung. Gerade bei kleineren Blechschäden sei eine Einigung allein mit dem in Anspruch genommenen Halter nicht von vornherein aussichtslos.
[7] II. Die dagegen gerichtete Revision ist unbegründet. Die Klage ist zu Recht als unzulässig abgewiesen worden, weil vor der Parteierweiterung auf die Bekl. zu 2) nicht das nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SchlG BW erforderliche Schlichtungsverfahren durchgeführt worden ist. Der Senat kann die Anwendung dieser Vorschrift durch die Vorinstanzen gem. § 545 Abs. 1 ZPO überprüfen.
[8] 1. Nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SchlG BW ist die Erhebung der Klage vor den AG in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten in vermögensrechtlichen Streitigkeiten über Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswert bei Einreichung der Klage 750 EUR nicht übersteigt, grds. erst zulässig, nachdem versucht worden ist, die Streitigkeit in einem Schlichtungsverfahren einvernehmlich beizulegen. Ein solcher Versuch ist nicht erfolgt. Die Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 2 Nr. 5 SchlG BW liegt im Verhältnis zur Bekl. zu 2) nicht vor, weil ihr gegenüber der Anspruch im Mahnverfahren nicht geltend gemacht worden ist. Auch die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 SchlG BW sind erfüllt, weil alle Parteien im Zeitpunkt des Eingangs der Klagebegründung ihren Wohnsitz, ihren Sitz oder ihre Niederlassung in demselben LG-Bezirk hatten.
[9] 2. Nach der Rspr. des erkennenden Senats muss, wenn durch Landesrecht ein obligatorisches Güteverfahren vorgeschrieben ist, der Einigungsversuch der Klageerhebung vorausgehen, sodass eine ohne den Einigungsversuch erhobene Klage als unzulässig abzuweisen ist (Senatsurteile BGHZ 161, 145, 148 f.; vom 7.7.2009 – VI ZR 278/08 – VersR 2009, 1383 Rn 7). Die Zielsetzung der Öffnungsklausel des § 15a EGZPO, angesichts des ständig steigenden Geschäftsanfalls bei den Gerichten Institutionen zu fördern, die im Vorfeld der Gerichte Konflikte beilegen, und neben der Entlastung der Justiz durch eine Inanspruchnahme von Schlichtungsstellen Konflikte rascher und kostengünstiger zu bereinigen, kann nur erreicht werden, wenn die Verfahrensvorschrift des § 15a EGZPO konsequent derart ausgelegt wird, dass die Rechtsuchenden und die Anwaltschaft in den durch Landesgesetz vo...