VHB 92 §§ 19, 21; VVG § 28
1. Ein Silberbesteck zählt auch dann als Wertsache, für die nur eine beschränkte Deckung besteht, wenn Teile aus Stahl sind.
2. Legt der Versicherungsnehmer die Stehlgutliste an die Polizei 17 Tage nach dem Versicherungsfall vor, ist eine Kürzung der Entschädigung um 20 % angemessen.
LG Hannover, Urt. v. 8.7.2010 – 8 O 312/09
Die Klägerin macht aus einem Vertrag, dem die VHB 92 zugrunde liegen, Ansprüche wegen eines Einbruchdiebstahls in der Wohnung der Klägerin am 6.6.2009 geltend.
Diejenigen Gegenstände, die von beiden Parteien übereinstimmend als Hausrat eingestuft werden, haben einen Gesamtwert von 2.020 EUR. Hierauf zahlte die Beklagte 1.616 EUR (80 %). Diejenigen Gegenstände, die von beiden Parteien übereinstimmend als Wertsachen (einschließlich Bargeld) eingestuft werden, haben einen Gesamtwert von 8.120 EUR, davon ersetzte die Beklagte 80 %. Zudem gehören zum Diebesgut von der Klägerin ständig verwendete Silberbestecke mit Messerschneiden aus Edelstahl im Wert von insgesamt 6.500 EUR. Ob die Silberbestecke als Hausrat (so die Klägerin) oder als Wertsachen einzustufen sind (so die Beklagte) ist streitig.
Die Klägerin hatte eine schriftliche Aufstellung der gestohlenen Gegenstände erst am 22./23.6.2009 der Polizei vorgelegt, also 16 oder 17 Tage nach dem Versicherungsfall.
Aus den Gründen:
“… I. Zutreffend ist der beklagte Versicherer davon ausgegangen, dass die Silberbestecke als ‘Wertsachen’ i.S.d. Versicherungsbedingungen anzusehen sind. Ferner ist der Abzug von 20 % nach dem Versicherungsvertrag gerechtfertigt. Auch hat die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung eines Geldbetrags in Höhe der Rechtsanwaltskosten für die Einholung der Deckungszusage bei ihrem Rechtsschutzversicherer, im Einzelnen:
1. Besteck aus Silber fällt unter den Begriff der Wertsachen i.S.v. § 19 Nr. 1 lit. d VHB 92 (so auch KG zfs 2006, 640). Dass die Messerklingen nicht aus Silber, sondern Edelstahl sind, ändert daran nichts. Auch sie sind nach allgemeinem Verständnis jedenfalls dann als ‘Sachen aus Silber’ anzusehen, wenn die Messer Teile eines Bestecksets sind, deren übrigen Teile (wie Gabeln, Löffel) vollständig aus massivem Silber sind. Dass die Bestecke nicht nur versilbert, sondern aus massivem Silber sind, hat die Klägerin bei ihrer Anhörung bestätigt.
2. Zu Recht hat die Beklagte den nach dem Versicherungsvertrag grds. geschuldeten Entschädigungsbetrag um 20 % gekürzt. Zu der Kürzung war sie gem. § 28 Abs. 2 VVG i.V.m. § 21 Nr. 1 lit. c, Nr. 3 VHB 92 berechtigt, weil der Klägerin eine grob fahrlässige Obliegenheitspflichtverletzung anzulasten ist und die Klägerin nicht dargelegt und beweisen hat, dass die Obliegenheitsverletzung folgenlos geblieben ist.
a) Die Klägerin hat ihre Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer sog. Stehlgutliste bei der Polizei (§ 21 Nr. lit. c VHB 92) grob fahrlässig verletzt. Ein Versicherungsnehmer handelt grob fahrlässig, wenn er es unterlässt, sich sofort nach Eintritt des Versicherungsfalls durch Prüfung der Versicherungsbedingungen oder Anfrage beim Versicherer über seine Obliegenheiten zu erkundigen und die maßgeblichen Klausein der Versicherungsbedingungen sich erforderlichenfalls erklären zu lassen. Die vertragliche Obliegenheit, unverzüglich bei der Polizei eine Stehlgutliste vorzulegen, ist im Übrigen auch nicht fern liegend, sondern drängt sich vielmehr auf. Das gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – die Einreichung einer schriftlichen Stehlgutliste mit der Polizei abgesprochen ist. Auf das Gebot der Unverzüglichkeit musste die Polizei dabei nicht hinweisen (vgl. OLG Celle VersR 2009, 631).
Die Einreichung der Stehlgutliste ist regelmäßig jedenfalls dann nicht mehr unverzüglich, wenn der Versicherungsnehmer deutlich mehr als zwei Wochen verstreichen lässt (OLG Celle, a.a.O.).
Im Einzelfall können allerdings besondere Schwierigkeiten der Erstellung (Bsp.: Erfordernis der Betriebsunterbrechung wegen Inventur bei sehr umfangreichen Entwendungen aus Warenbestand) sowohl bei der Frage der Rechtzeitigkeit als auch beim Verschulden berücksichtigt werden (OLG Koblenz VersR 2007, 1694). Derartige besondere Schwierigkeiten hat die Klägerin hier jedoch nicht hinreichend dargelegt. Der Tod des Ehemanns lag bereits ca. ein halbes Jahr zurück. Die Angaben der Klägerin bei ihrer Anhörung, zum einen sei der Einbruch an genau jenem Tag erfolgt, an dem auf dem Grab ihres verstorbenen Ehemanns der Grabstein gesetzt wurde, und zum anderen sei sie bis zum Einbau einer neuen Haustür besonders unruhig gewesen, ändern nichts daran, dass von der Klägerin eine weitaus frühere Vorlage der Stehlgutliste erwartet werden durfte, zumal sie selbst angegeben hat, ihr Sohn sei so lange bei ihr geblieben, bis die neue Tür eingebaut war. Demnach hatte sie durch die Präsenz ihres Sohns gerade in den ersten Tagen nach dem Einbruch, in denen die Liste zu erstellen war, zumindest psychisch eine besondere Unterstützung durch einen ihr nahe stehenden Dritten.
b) Auf Grund der grob fahrlässigen Obliegenheitsve...