VVG § 81 Abs. 2
Leitsatz
Verursacht ein VN mit einem Blutalkoholgehalt von 0,4 ‰ einen Verkehrsunfall, so ist in der Kaskoversicherung eine Kürzung der Entschädigung um 50 % gerechtfertigt.
LG Flensburg, Urt. v. 24.8.2011 – 4 O 9/11
1 Aus den Gründen:
“ … 2. Die Bekl. beruft sich allerdings zu Recht auf die Regelung des § 81 VVG. Nach § 81 Abs. 2 VVG ist der VR berechtigt, sofern der VN den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeiführt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des VN entsprechenden Verhältnis zu kürzen,
a. Der Kl. hat den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der VN die im Verkehr erforderliche Sorgfalt sowohl objektiv als auch subjektiv in einem besonders schweren Maße verletzt hat. Der objektive Sorgfaltsmaßstab richtet sich nach allgemein anerkannten Sorgfalts- und Verkehrsbedürfnissen, die in besonders schwerem Maße verletzt sein müssen. In subjektiver Hinsicht muss der VN ein gegenüber der einfachen Fahrlässigkeit gesteigertes und somit schweres Verschulden treffen … Beide Voraussetzungen liegen hier vor.
Es ist zunächst objektiv von einem grob fahrlässigen Verhalten des Kl. auszugehen. Der Kl. war im Unfallzeitpunkt relativ fahruntüchtig.
Eine relative Fahruntüchtigkeit kann bei einer Blutalkoholkonzentration ab 0,3 ‰ gegeben sein. Die um 0:02 Uhr entnommene Blutprobe wies ein BAK-Wert von 0,33 ‰ auf. Der Unfall ereignete sich nach den Angaben in der Verkehrsunfallakte gegen 23:15 Uhr, sodass bei Rückrechnung mit einem Abbauwert von 0,1 ‰ pro Stunde zum Unfallzeitpunkt ein BAK-Wert von 0,4 ‰ vorgelegen haben muss. Infolge dieses Blutalkoholgehalts war der Kl. fahruntüchtig. Dieses steht aufgrund der weiteren Unfallumstände zur Überzeugung der Kammer fest. Anzeichen, die die relative Fahruntüchtigkeit begründen, können aus dem Verhalten des Fahrers, den Feststellungen des Blutentnahmeprotokolls oder groben Fahrfehler entnommen werden … Ausweislich der beigezogenen Verkehrsunfallakte lagen bei dem Kl. keine Ausfallerscheinungen vor, die für sich genommen auf eine Fahruntüchtigkeit schließen lassen. Soweit die Ärztin in ihrem ärztlichen Untersuchungsbericht angegeben hat, dass der Kl. verwaschen gesprochen und benommen gewesen sei, steht dem entgegen, dass er geordnet denken konnte, sicher urteilsfähig war und eine regelgerechte Erinnerung an den Vorfall hatte.
Vorliegend stellt sich jedoch das Abkommen von der Fahrbahn ohne ersichtlichen Grund als typisch alkoholbedingter Fahrfehler dar (vgl. OLG Hamm NJW 2011, 85 ff.). Ausweislich der in der Verkehrsunfallakte befindlichen Fotos ist die Linkskurve klar erkennbar. Zwar fand der Unfall zur Nachtzeit statt, die Straße war jedoch durch Straßenlaternen beleuchtet. Die Straßenoberfläche war trocken. Auch eine mögliche Enge der Linkskurve spricht dabei nicht gegen eine derartige Annahme. Es ist davon auszugehen, dass die Kurve mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h gefahrlos durchfahren werden kann. Die Straße weist eine normale Fahrbahnbreite für zwei Fahrspuren auf. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf unter 50 km/h ist nicht angeordnet, Warnschilder, die auf eine scharfe Kurve hinweisen, sind nicht aufgestellt. Für die Ursächlichkeit der Fahruntüchtigkeit für den Unfall spricht vorliegend zugunsten der Bekl. ein Beweis des ersten Anscheins. Es entspricht der typischen Lebenserfahrung, dass die Alkoholisierung kausal für den Eintritt des Versicherungsfalls gewesen ist.
Diesen Anscheinsbeweis hat der Kl. nicht entkräftet. Er hat keine Umstände vorgetragen, aus denen sich die ernsthafte, nicht nur theoretische, Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs ergibt. Die allgemeine Möglichkeit, dass ein derartiger Fahrfehler auch einem Nüchternen unterlaufen kann, reicht dabei nicht aus, den Anscheinsbeweis zu erschüttern.
Zwar weist das Fahrzeug des Kl. eine sehr hohe Motorleistung auf. Nach dem Ergebnis der persönlichen Anhörung des Kl. ist die Kammer jedoch davon überzeugt, dass der Kl. – ohne Alkoholkonsum – in der Lage gewesen wäre, sein Fahrzeug sicher zu beherrschen. Nach seinen eigenen Angaben kannte er die Fahrstrecke. Er will nur mit der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h gefahren sein. Zudem ist der Kl. Hobby-Rennfahrer, er hat schon Fahrertrainings absolviert und kann mit seinem Fahrzeug sicher umgehen. Hiernach vermag die Einlassung des Kl., es liege ein bloßer alkoholunabhängiger Fahrfehler dem Unfallereignis zu Grunde, nicht zu überzeugen.
Auch in subjektiver Hinsicht trifft den Kl. der Vorwurf grob fahrlässigen Verhaltens. Der gesteigerte subjektive Vorwurf ergibt sich vorliegend aus einer mangelnden Selbstprüfung im Hinblick auf seine Fahrfähigkeit. Dass der Kl. selbst angibt, seine Fahruntüchtigkeit nicht erkannt zu haben, kann ihn nicht entlassen, Eine fehlerhafte Selbsteinschätzung des eigenen Fahrvermögens ist typische Folge eines Alkoholkonsums …
b. Die von der Bekl. vorgenommene Kürzung ihrer Leistung um 50 % ist nicht zu beanstanden. Die Teilnahme am Straßenverkehr trotz alkoholbedingter Fah...