"Der Antrag auf Ablehnung der Sachverständigen ist begründet."

Nach § 406 Abs. 1 S. 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Gem. § 42 Abs. 2 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Befangenheit des Richters ist gleichbedeutend mit Parteilichkeit und Voreingenommenheit. Befangenheit meint eine unsachliche innere Einstellung des Richters zu den Beteiligten oder zum Gegenstand des konkreten Verfahrens. Eine Besorgnis der Befangenheit ist anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit aufkommen lassen (Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 42 Rn 8). Geeignet, Misstrauen gegen eine unparteiliche Amtsausübung des Richters zu rechtfertigen, sind nur objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber. Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden aus (Zöller/Vollkommer, § 42 Rn 9; Thomas/Putzo, 30. Aufl. 2009, § 42 Rn 9; BGH NJW-RR 2003, 1220). Nicht erforderlich ist, dass der Richter tatsächlich befangen ist oder ob er sich für befangen hält. Entscheidend ist allein, ob aus der Sicht des Ablehnenden genügend objektive Gründe vorliegen, die nach der Meinung einer ruhig und vernünftig denkenden Partei Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (BVerfGE 82, 38; 02,139; 108, 126).

Bei der Ablehnung eines Sachverständigen genügt jede Tatsache, die ein auch subjektives Misstrauen der Partei in die Unparteilichkeit des Sachverständigen vernünftigerweise rechtfertigen kann (Zöller/Greger, ZPO; 29. Aufl. 2012, § 406 Rn 8; BGH NJW 1975, 1263). Eine solche Situation kann vorliegen, wenn der Sachverständige zur Vorbereitung des Gutachtens nur eine Person heranzieht oder sich Informationen von ihr beschafft (Zöller/Greger, ebd.; BGH, Urt. v. 12.11.1991 – KZR 18/90 – MDR 1992, 466; OLG Saarbrücken MDR 2005, 233; OLG Stuttgart MDR 2011, 190).

Vorliegend hat die Sachverständige von der Bevollmächtigten der Kl. übergebene Unterlagen (Schriftverkehr, Arztberichte) verwertet und zum Gegenstand ihres Gutachtens gemacht, ohne dies dem Gericht und der gegnerischen Partei der Kl. unverzüglich vorab zu offenbaren. Damit ist dem Bekl. die Möglichkeit genommen worden, vor Abschluss des Gutachtens sich mit der umfangreichen Zusatzakte von 316 Seiten auseinanderzusetzen und aus seiner Sicht bestehende Einwände vorzutragen. Dies stellt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Bekl. (Art. 103 Abs. 1 GG) dar. Der Bekl. hat ebenso wie der Senat erst nach Vorlage des Gutachtens der Sachverständigen Kenntnis davon erlangt, dass die Sachverständige umfangreiche Unterlagen, die ihr von der Bevollmächtigten und zugleich Betreuerin der Kl. zur Verfügung gestellt worden sind, verwertet hat. Damit liegen aus der Sicht des Ablehnenden objektive Gründe vor, die nach Meinung einer ruhig und vernünftig denkenden Partei Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit der Sachverständigen zu zweifeln.

Die von der Sachverständigen mit Schreiben vom 9.5.2012 abgegebene Erklärung, dass sie zwar die Bewertungen des Bekl. und seiner Ehefrau in das Gutachten aufgenommen, diese aber als Bewertung durch andere gekennzeichnet habe, ihr aber wichtig erschienen sei, Unterlagen der Fachklinik und Schreiben des Ehepaars M an die Ärztekammer sowie deren Antwort in die Begutachtung einzubeziehen, entbindet die Sachverständige nicht von dem berechtigten Vorwurf der Besorgnis der Befangenheit. Diese hätte die Unterlagen nach Erhalt auch dem Bekl. zur Verfügung stellen können und dessen etwaige Einwände ebenfalls in die Gesamtbeurteilung ihres Gutachtens einbeziehen können.“

Mitgeteilt von RiOLG Dr. Reinert, Koblenz

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