GG Art. 34; BGB § 839
Leitsatz
1. Stellt sich bei einer Straßenkontrolle heraus, dass auf einer Strecke von ca. 500 Metern 15–20 Schlaglöcher vorliegen, die teilweise auch etwas tiefer, nämlich geschätzte 7–8 cm tief sind, ist die verkehrssicherungspflichtige Gemeinde zur sofortigen Reparatur der Straße, auch an Wochenendtagen, verpflichtet.
2. Sind Verkehrsteilnehmern vermehrte Schäden des Straßenkörpers bekannt, müssen sie ihre Fahrweise hierauf einstellen.
(Leitsätze der Schriftleitung)
LG Rostock, Urt. v. 2.5.2012 – 10 O 656/11 (2)
Sachverhalt
Der Kl. hat die Verurteilung der beklagten Stadt zum Ersatz der aus einer behaupteten Verletzung der Verkehrssicherungspflicht erlittenen Schäden verfolgt. Der Kl. fuhr am 1.3.2010 bei starkem Schneeregen im Stadtgebiet und erlitt nach seiner Darstellung beim Durchfahren eines 12 cm tiefen und 120 cm langen Schlaglochs an seinem Pkw Schäden, deren Ersatz er geltend macht. Er hat behauptet, das Schlagloch aufgrund der zum Unfallzeitpunkt herrschenden Dunkelheit deshalb nicht habe wahrnehmen zu können, da es vollständig mit Wasser gefüllt gewesen sei und sich von der nassen Fahrbahn nicht unterschieden habe. Mit einem Schlagloch solchen Ausmaßes habe er nicht rechnen müssen. Der Bekl. sei vorzuwerfen, dass sie trotz einiger Tage zuvor festgestellter Schlaglöcher diese nicht umgehend habe beseitigen lassen und auch nicht mit einem Verkehrsschild auf das Schlagloch hingewiesen habe oder die zugelassene Höchstgeschwindigkeit reduziert habe. Die Bekl. hat eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht bestritten. Das Schlagloch sei für den Kl. erkennbar gewesen. Am 25.2.2010 seien zwar Frostaufbrüche erkennbar gewesen, wenn auch nicht in der von dem Kl. behaupteten Größe. Der Frostaufbruch in der von dem Kl. behaupteten Größe sei erst nach der Kontrolle entstanden. Wegen der Vielzahl von Frostschäden auf den Straßen im gesamten Stadtgebiet habe die Beseitigung des Frostschadens erst am 2.3.2010 ausgeführt werden können.
Das LG ging von einer hälftigen Ersatzpflicht der Bekl. für die dem Kl. erwachsenen Schäden wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht aus.
2 Aus den Gründen:
" … Die zulässige Klage ist teilweise begründet."
I. Der Kl. hat gegen die Bekl. einen Anspruch auf Zahlung von 844,86 EUR aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG.
1. Das im Eigentum des Kl. stehende Fahrzeug ist durch eine zumindest fahrlässig begangene Verkehrssicherungspflichtverletzung der Bekl. beschädigt worden.
a) Dass sein Fahrzeug am 1.3.2010 beim Durchfahren eines großen Schlaglochs auf der N-Straße die von ihm behaupteten Schäden erlitten hat, hat der Kl. in seiner persönlichen Anhörung eindrucksvoll bestätigt. Darüber hinaus wurden im selben Termin die vom Kl. zur Akte gereichten Fotos des mit Wasser gefüllten Schlaglochs allseits in Augenschein genommen. Im Hinblick auf die zum Durchfahren eines Schlaglochs kompatiblen, in der Reparaturrechnung aufgeführten und direkt im Anschluss an den 1.3.2010 erfolgten Reparaturarbeiten am Fahrzeug des Kl. reicht dies zur Überzeugung des Gerichtes vom Unfall sowie dessen Hergang aus.
b) Die Bekl. hat ihre Verkehrssicherungspflicht schuldhaft verletzt.
Die Verkehrssicherungspflicht für Straßen und Wege umfasst alle notwendigen Maßnahmen zur Herbeiführung und Erhaltung eines für den Benutzer hinreichend sicheren und gefahrlosen Zustands der Verkehrswege. Zu beachten ist jedoch, dass eine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließt, nicht zu erreichen ist. Der Straßenbenutzer hat grds. keinen Anspruch auf einen schlechthin gefahrlosen Zustand der Straßen, sondern muss sich den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen und die Straße so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet. Daher muss der Verkehrssicherungspflichtige nach der Rspr. des BGH, welcher die Kammer in st. Rspr. folgt, nicht für alle nur denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge treffen. Vielmehr genügen diejenigen Vorkehrungen, die nach den konkreten Umständen zur Beseitigung der Gefahr erforderlich und zumutbar sind. Erforderlich sind (nur) die Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um die Gefahr von Dritten abzuwenden, d.h. die nach den Sicherheitserwartungen des jeweiligen Verkehrs geeignet sind, Gefahren von Dritten tunlichst abzuwenden, die bei bestimmungsgemäßem oder nicht ganz fern liegendem bestimmungswidrigem Gebrauch des Verkehrsweges drohen und die der Benutzer bei Beobachtung der ihm abzuverlangenden eigenen Sorgfalt in der konkreten Situation selbst nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzustellen vermag. Gefahren, die ein sorgfältiger Benutzer bereits mit einem beiläufigen Blick selbst erfassen kann, erfordern mithin keine besonderen Maßnahmen, insb. muss vor ihnen nicht gewarnt werden (vgl. beispielhaft BGH, NJW 1970, 1126; VersR 1980, 946; NJW 1985, 1076).
Unter Anwendung vorgenannter Grundsätze ist eine durch die Bekl. begangene schuldhafte Verkehrssicherungspf...